Verknäulte Erzählstränge

Kaska Bryla erzählt in „Die Eistaucher“ auf der Folie dramatischer Ereignisse von einem Coming of Age und einem Coming-out und verknäult dabei etwas die diversen Fäden ihrer Geschichte

Von Karsten HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Karsten Herrmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Aus verschiedenen Blickwinkeln und in einem Wechsel aus Vergangenheit und Gegenwart dreht sich Kaska Brylas Roman um ein Clique Jugendlicher und einen dramatischen Vorfall in einer unbenannten Stadt in der Mitte der 1990er Jahre. Im Mittelpunkt steht die Skaterin Iga, die neu an eine Privatschule kommt und schon einige Schulrauswürfe hinter sich hat. Hier freundet sich die ausgiebige Schulschwänzerin und hochbegabte Mathematikerin vorsichtig mit dem pummeligen Ras und der schönen Jess an. Sie bilden die „Eistaucher“, die sich später mit zwei elitären Dichtern aus ihrer Klasse zur „Avantgarde“ vereinen und die Welt mit Poesie retten wollen: „Ohne Poesie keine Welt“.

Auf der Folie eines immer wieder angedeuteten und umkreisten, aber sich erst zum Schluss konkretisierenden dramatischen Ereignisses, erzählt Kaska Bryla eine klassische Coming-of-Age-Geschichte und verbindet sie programmatisch mit Diversitäts-Aspekten: Iga und Jess haben ihr lesbisches Coming-out, die beiden Dichter der Avantgarde sind schwul und Ras ist ein Junge mit Migrationshintergrund. Und dann ist da noch Sasa, der beste Freund von Iga, der früh seine Eltern verloren hat und schon studiert.

Die Lage für die Clique wird kompliziert, als Iga sich in ihre Lehrerin Frau Fellbaum verliebt und sie dann auch noch in einer eiskalten Nacht eine von Polizisten vergewaltigte und mit Handschellen gefesselte Fixerin im Park finden. Die Ereignisse geraten vollends außer Kontrolle, als sie beschließen, die Vollstreckung der Gerechtigkeit in die eigene Hand zu nehmen: „In einer Welt ohne Teufel geschieht ein Ereignis aus dem Nichts heraus.“

Zwanzig Jahr später taucht ein geheimnisvoller Fremder bei Sasa auf, der nun am Rande eines Naturschutzgebietes einen Campingplatz betreibt. Er ahnt, dass ihn und die noch immer eng verbundene Clique die Vergangenheit noch einmal einholen und eine Schuld beglichen werden soll.

Kasky Bryla gelingt es in ihrem Roman nur ansatzweise, den Leser in die Welt ihrer diversen Protagonistinnen und den Sog der dramatischen Ereignisse zu ziehen. Allzu schlicht spult sich ihre Prosa ab und die Fäden der Ereignisse verwirren sich ineinander und bleiben in Teilen schlicht unglaubwürdig. Zu allem Überfluss tauchen in diesem Roman auch noch unerklärliche mystische Vorfälle auf, die auch durch den Bezug auf Maupassants fantastische Erzählung Der Horla nicht überzeugen können. So ergibt sich der Eindruck einer insgesamt nicht ganz stimmigen Erzählung, in der Kaska Bryla einfach zu viel auf einmal wollte.

Titelbild

Kaśka Bryla: Die Eistaucher.
Residenz Verlag, A-5020 Salzburg 2022.
304 Seiten , 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783701717514

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