Kammerspiel von Klamotte, Kram und Krempel

Eva Demski erzählt „Die Sache mit den Sachen“

Von Helmut SturmRSS-Newsfeed neuer Artikel von Helmut Sturm

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Auf die Frage „Was gehört in eine Plunderkammer?“ meldete mir die KI: „Es ist ein Fehler bei der Generierung einer Antwort aufgetreten.“ Zum Glück gibt es da das schmale Bändchen von Eva Demski Plunderkammer. Was darin versammelt ist, überrascht damit, dass es überhaupt aufbewahrt wird: Bruchstücke alter Teller, geklaute antike Henkel, Koch- und Schöpflöffel, Baumrinde, Muscheln, Straußenfedern, insgesamt 23 derartige Dinge. Der Untertitel, der sich nur auf dem Cover findet, „Von sprechenden Löffeln, verschwundenen Jahren und anderen Dingen“, macht deutlich, dass all diese Sachen etwas über vergangene Zeiten und Einstellungen, (Auto-)Biographisches und den Umgang damit, zu erzählen haben.

Hammstert ein Messi alles, weil er nichts liegen lassen oder wieder weggeben kann, spricht Eva Demski von einem „Urvertrauen zum Gerümpel“, weil dieses darauf aufmerksam macht, dass wir Teil einer Geschichte sind und selbst eine solche haben. Die Sachen sprechen die Erzählerin an, verwickeln diese in einen Dialog, in dem Antworten auf den Zeitgeist, diverse Moden oder Gründe für bestimmte Marotten gegeben werden. Die Sprache ist dabei immer präzise und klar, manchmal mit eingestreutem saloppem auch älterem Wortgebrauch, gut lesbar. Die einzelnen Abschnitte machen nachdenklich, doch nicht untröstlich, sie haben entsprechend vortrefflich auf dem Nachtkästchen Platz.

Die Auseinandersetzung mit all dem Plunder macht deutlich, dass wir Gefahr laufen, die Geschichtlichkeit der Dinge und von uns selbst einzutauschen gegen „die substanz- und duftlose Ewigkeit des Internets“. Die enorme Masse an gespeicherten Daten, Bildern und Dokumenten fördert eine Haltung der Belanglosigkeit, in der nichts mehr wirklich zählt. Da verhält es sich mit den paar Sachen auf dem Dachboden oder sonstigen Verräumorten anders. Bei jeder Begegnung mit ihnen wird eine Erinnerung an einen selbst oder frühere Begegnungen angestoßen. Eva Demski gibt zu: „Es wundert mich immer wieder, wie wenig Platz vergangene Zeit einnimmt. Man muss sie nur einpacken. Wenn sie ausgepackt wird, kann es sein, dass sie einen überwältigt.“ So enthalten auch die Texte in diesem Bändchen neben erhellenden biographischen Aussagen über die Autorin, sozusagen Persönliches in Aspik, auch Anmerkungen über etliche Zeitgenossen.

Insgesamt belegt Demski einmal mehr, dass das Nachdenken über das Kleine, wie Adalbert Stifter  behauptete, ein Sanftes Gesetz freilegt, welches durchaus in der  Lage ist, das Humane zu fördern. So sind dem Buch in diesen Zeiten auch viele Leserinnen und Leser zu wünschen. Schließlich sind in der Plunderkammer kulturelle Elemente zu finden, die weiter helfen.

Titelbild

Eva Demski: Plunderkammer. Von sprechenden Löffeln, verschwundenen Jahren und anderen Dingen.
Mit Illustrationen von Nicolas Mahler.
Insel Verlag, Berlin 2024.
135 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783458644743

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch