Ein slowenisch-österreichischer Dichter aus Kärnten

„Erste und letzte Gedichte“ von Fabjan Hafner, übertragen von Peter Handke

Von Johann HolznerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Johann Holzner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seine ersten Gedichte hat Fabjan Hafner (1966-2016) schon als Fünfzehn- oder Sechzehnjähriger geschrieben; eines der frühesten unter dem mannhaften Vorsatz Ich werde mir das Schreiben verbieten. Die letzte Zeile dieses Gedichts mag auf den ersten Blick leichtsinnig wirken, gar übermütig, aber in dieser Zeile verraten sich doch zugleich auch Überempfindsamkeit und Verzweiflung: Kdo ne bi želel umreti …… na višku življenja? In Handkes Übersetzung: Wer wünschte nicht, zu sterben …… auf dem Gipfel des Lebens? – Hafner hat weitergeschrieben, virtuose literarische Texte, darunter drei Lyrikbände, die noch zu seinen Lebzeiten erschienen sind, gewichtige literaturwissenschaftliche Studien und vor allem auch Übersetzungen, aus dem Slowenischen ins Deutsche und aus dem Deutschen ins Slowenische; und er hat zahlreiche renommierte Auszeichnungen erhalten, nicht erst als späte Anerkennung, sondern schon in jungen Jahren: Wissenschaftspreis der Österreichischen Gesellschaft für Germanistik, Petrarca-Preis, Österreichischer Staatspreis für literarische Übersetzung, Preis der Stadt Münster für Europäische Poesie, etliche andere Würdigungen mehr.

Als Lehrbeauftragter am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft der Universität Graz, als Lektor in der Germanistik in Ljubljana sowie an den Instituten für Germanistik und Slawistik der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und als Mitarbeiter des Robert-Musil-Instituts hat er sich schließlich den denkbar besten Ruf erworben: Ein allseits geschätzter, gefragter, beliebter Kollege. Ein ausgewiesener Kenner der neueren und zeitgenössischen Literatur, mit einer einprägsam-signifikanten Disposition für Bob Dylan. Sein Suizid, auf dem Gipfel des Lebens, kurz vor seinem 50. Geburtstag, hat nicht nur in der österreichischen und slowenischen Literaturlandschaft Trauer und Bestürzung ausgelöst; denn Fabjan Hafner hat sich weit über die Grenzen seines engeren Wirkungsbereichs hinaus als universell gebildeter, kritischer Experte auf allen seinen Arbeitsfeldern Achtung erworben und sich dabei doch jede Selbstinszenierung immer versagt.

Eines der Schlüsselwörter in seinen frühesten Gedichten, die Hafner noch nicht selbst ins Deutsche übersetzt hat, heißt: osamelost. Einsamkeit; in Handkes Übertragung: Vereinsamung. Was das für das lyrische Ich bedeutet, bleibt in den ersten Gedichten nicht weiter im Dunkeln, es wird vielmehr umgehend konkretisiert: als Ergebnis einer Haltung, die standhaft sich wehrt gegen jede Zumutung, wenigstens hin und wieder sich hinter Masken zu verstecken, sich da oder dort anzupassen. Diese ersten Gedichte entziehen sich noch in keiner Passage dem Verständnis des Lesers; auf genaue Lektüre setzen sie trotzdem. So kommt es schon einmal vor, dass zwei Wörter, jeweils in der vorletzten Zeile einer Strophe ganz isoliert gesetzt, miteinander sich reimen und damit auffällige Verbindungen stiften, wie ponavlja und postavlja in dem Gedicht groza / Grausen. Später, sobald politische Überlegungen in den Versen ganz explizit zum Ausdruck kommen, in den Gedichten aus seinen letzten Lebensjahren, insbesondere in dem Langgedicht Viertes Gebot, in dem vom Mutterland und vom Vaterland die Rede ist, sind die Verse dann schon deutlich so angelegt, dass sie nur mehr eine eigenständige kreative Lektüre provozieren; Agitprop ist Hafners Sache nie gewesen.

LJUBLJANA, v tebi sem tujek,
iver, zadrt v tvoje voljno tkivo,
zasilen, priložnostni priležnik.

Jonov kit si, bel privid, ki ga
hlastno in slastno sproti prevajam,
nazaj v varni, stvarni svet.

Sredi tebe sem najbolj pri sebi.

LJUBLJANA, ich bin ein Fremdkörper in dir,
Splitter, eingerissen in dein williges Gewebe,
Gelegenheitsbeilieger.

Jonas Wal bist du, weißes Wahnbild, das ich
ein jedesmal wieder, in Hast und Lust,
zurückübersetze in die sichere, die sachliche Welt.

Bin inmitten von dir bestens bei mir.

Peter Handke hat, wie das Beispiel zeigt, beim „Nachbuchstabieren“ dieser Gedichte zugleich akribisch-bedachtsam und frei gearbeitet und damit ihr poetisches Format herausgestellt und besiegelt. Im Vorwort begründet er das Verfahren: Hafners Gedichte sind in seinem Verständnis nicht Zeugnisse eines jugendlichen Zungenredners, der eigentlich mit Poesie gar nichts im Sinn hat und doch unter der Hand etwas zu Papier bringt, was bleibt, wie seinerzeit der Prototyp dieser Autoren, nämlich Arthur Rimbaud. In Hafners Gedichten, in seinen „Anrufungen des Dunkels, der Stummheit, der Sprachlosigkeit, der Verlassenheit, des Ekels, der Angst, ja des Grauens“, in seinem eindringlich stockenden Ton hingegen sei unmissverständlich sichtbar, dass sein Beruf der Dichterberuf war. Das Wechseln „in einen anderen Beruf kam nicht in Frage“ (Handke); was Hafner wechseln konnte wie kaum ein anderer, war die Sprache.

Handke hat bekanntlich seit den frühen 1980er Jahren, mit seinen Übersetzungen und den Begleittexten zu Werken von Florjan Lipuš und Gustav Januš, der Literatur der Kärntner Slowenen im deutschsprachigen (und obendrein im slowenischen) Raum zum Durchbruch verholfen. Hafner hat Handkes Bemühungen auf diesem Sektor mit Energie und Umsicht weitergeführt; mittlerweile ist die Geschichte der Geringschätzung und Ausgrenzung der slowenischen Kultur in Kärnten endlich zu Ende.

Fabjan Hafners Verdienste in diesem Zusammenhang finden in dem Buch nun die längst verdiente, schönste Wertschätzung: Handkes Übersetzungsarbeit ist gewiss auch als Zeichen der Verbundenheit zu verstehen nach Hafners grundlegender Studie über Handkes Verhältnis zu Slowenien (die bei Zsolnay 2008 erschienen ist). Das Nachwort von Dominik Srienc verweist ein weiteres Mal und mit vielen interessanten Details auf die große Resonanz von Hafners Arbeiten in der österreichischen und slowenischen Literaturwissenschaft, und ein im Anhang ebenfalls abgedrucktes Gedicht von Gustav Januš ist definitiv als Epitaph für Fabjan Hafner zu lesen. „Jetzt / aus der Nähe: / die Toten / scheint mir / leben“, so schließt Hafners Gedicht Zwei Gesichtspunkte. Zunächst einmal doppeldeutig, versteht sich; gerade im wilden Kärnten, wie Josef Winkler es dargestellt hat. Aber im Kontext dieses Bandes dann am Ende doch anders, unstrittig.

Titelbild

Fabjan Hafner: Erste und letzte Gedichte. Gedichte.
Aus dem Slowenischen von Peter Handke.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020.
120 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783518225134

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