Für seine Träume kämpfen

Andrea De Carlo enttäuscht mit der Geschichte dreier Künstler

Von Jutta KochRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jutta Koch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wir drei" erzählt die Geschichte dreier befreundeter Künstler und umfasst eine Zeitspanne von zwanzig Jahren. Vom Kennenlernen in ihrer Jugend, über zahlreiche Trennungen, erneute zufällige Begegnungen und immer wiederkehrende Gefühle der Verbundenheit bis in die Zeit des Erwachsenenlebens schildert der italienische Autor De Carlo alle damit verbundenen Höhen und Tiefen.

Dies ist jedoch kein Buch, das man verschlingt oder gar mehrmals liest, da es ihm an Höhepunkten und der Euphorie fehlt, der Leser eigentlich erwartet. Die Absicht De Carlos, bedingungslos für seine Träume zu kämpfen, wird aufgrund mangelnder Dynamik nicht überzeugend umgesetzt.

Dieser Roman scheitert vermutlich an seiner Langatmigkeit und der unüberwindbaren Distanz zwischen Erzähler und Leser. Der Leser kann sich nicht mit Livio, dem Protagonisten identifizieren; Livio erscheint zu labil und ölig, und verliert sich in selbstmitleidigen Ausführungen. Er wird von De Carlo zu farblos geschildert. Da es von Beginn an klar erscheint, dass die angebetete Misia niemals mehr als reine Freundschaft für Livio empfinden wird, wirkt sein hoffen und Fühlen entsprechend langatmig. Livio verliert sich in endlosen Bewunderungen für Misia. Alle Figuren sind in Klischees gefangene und festgelegte Charaktere ohne Möglichkeit zur Wandlung: Misia verkörpert eine Göttin, deren Perfektion kein selbstverschuldeter Fehler Abbruch tun kann; Marco das unverstandene, egozentrische, rücksichtslose und launische "enfant terrible"; und Livio den hilflosen Maler ohne Eigendynamik, der aufhört, sich selbst neu zu definieren, als er Misia kennenlernt. Die Resignation des Erzählers nimmt dem Roman seinen Schwung; aus Livios Blickwinkel erscheint nichts außer seinen Freunden lebendig.

Andrea De Carlo versucht, sich nicht auf Momente zu beschränken, sondern will dem Leser ein ganzes Leben offenbaren. Das aber kann nicht gelingen, wenn alle schicksalhaften Wendepunkte nicht überzeugend dargestellt werden. Immerhin: Das Problem der Dreiecksbeziehung, ihrer Konflikte und verletzten Gefühle wird glaubhaft geschildert, auch wenn dem Leser der direkte Zugang zum "Mit-Leiden" verwehrt bleibt. Der Roman greift das oft diskutierte und rational kaum einschätzbare Phänomen der platonischen Beziehung auf, bringt aber diesbezüglich keine neuen Erkenntnisse.

"'Der Augenblick ist alles, Livio', widersprach Marco.'Das einzige, was wir wirklich haben.'" Vielleicht hätte der Schwerpunkt auch auf diese Momente des Lebens gelegt werden sollen. Die Momente, die den Leser mitreißen und verzaubern und nicht als anonyme Beobachter auf das Geschehen blicken lassen.

Titelbild

Andrea DeCarlo: Wir drei.
Diogenes Verlag, Zürich 1999.
661 Seiten, 23,00 EUR.
ISBN-10: 3257062168

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