Die Geschichte der Liebe
Bodo Morshäuser hat mit "Beute machen" einen ebenso verkaterten wie charmanten Roman geschrieben
Von Marius Hulpe
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseJa, möchte man gleich nach dem Umblättern der letzten Seite des neuen Romans "Beute machen" von Bodo Morshäuser rufen. - Ja sicher ist es eine Liebesgeschichte, wie es im Klappentext steht. Doch scheint Liebe im 21. Jahrhundert noch immer nicht ohne ihre Verknüpfung mit gesellschaftlichen Umständen, mit Arbeit und Brot, und damit nicht ohne ihr genuines Ende, ihren Verfall auszukommen. Das bleibt auch bei Bodo Morshäuser so.
Denn diese Liebe ist - wie so viele - dazu verurteilt, langsam aber stetig ihren Niedergang anzutreten; womit bereits der erste wichtige Aspekt des Romans charakterisiert wäre. "Beute machen" ist das Buch einer Gewinn- und Verlustgeschichte; zudem ein überaus deutsches Buch, dem die deutsche Nachkriegsgeschichte immer im Nacken sitzt. Die Beute wird gewonnen und geht wieder abhanden. "Ich glaube, damals waren wir schon kein Paar mehr, nur hatten wir es uns noch nicht gesagt", konstatiert der Protagonist Bruno Vegas eines Tages, als hätte er eine Eingebung.
Diese schlichte und altbekannte, dafür aber abwechslungsreich und sprachlich forciert durcherzählte Grundkonstellation erhält nun ihren Wert durch die zur Reflexion und Vergegenwärtigung geführte Haltung von Vegas, der sich, so wie er zwischen Berlin und Haarstadt, Metropole und Provinz hin und her fährt, auch zwischen Wunschtraum und dem einpendelt, was er vorfindet.
Bruno Vegas, dessen Name nur im ersten und letzten Satz genannt wird, ist Autor der Fernsehsoap "Nebenan", genauso wie Antonia, die plötzlich beginnt, nach Höherem zu streben. Doch verdeutlicht sich schließlich an ihrer Entwicklung sehr exemplarisch, wohin ein solcher Weg auch führen kann - einer Menge an Enttäuschung. Sie, die "Fleißige", biedert sich bei Vorgesetzten an, geht schließlich sogar eine Chef-Beziehung ein und bleibt insgesamt als steife Karrieristin zurück, ohne es zu bemerken.
Vegas begibt sich wieder nach Haarstadt, dem fiktiven Ort ihrer Urgeschichte, und schöpft aus der emotionalen Distanz neues Reflexionsvermögen, wobei sich ihm einiges auftut. Auf eine teils verblüffend präzise Weise gelingt es Morshäuser hier, das Geflecht einer hochindividuellen und darum wirklich interessanten Entwicklung darzustellen. Sprachlich mischen sich überaus farbige Bilder ("Ich habe eine wunderschöne Blume von der Wiese gepflückt. Dabei bin ich selbst von der Wiese gepflückt worden.") mit einer im Schreibverfahren an Thomas Bernhard erinnernden zornigen Kühle, die formal auch den geistigen Zustand trifft, in den sich Vegas hineinbewegt. Und dies ist der zweite wichtige Aspekt des Romans; anstatt zu resignieren, findet er zu einer ungeheuer optimistischen Erkenntnis: "manche Trennung, also Beziehung, macht einen fertig [...] diese hat mich stark gemacht." Natürlich kann das erstmal jeder sagen, doch stellt es grundsätzlich durchaus eine emotionale Leistung dar, dies so feststellen zu können. Die Umgebung des Romans macht es zudem glaubwürdig.
Es findet in diesem teilweise sehr verkaterten, dafür oft umso charmanteren Roman eine Wiederbelebung ureigenster Schutzmechanismen statt. Und Bodo Morshäuser gelingt es, sie uns auf höchst unterhaltsame, sprachlich durchkomponierte Weise vor Augen zu führen.