Reflexe der kapitalistischen Moderne

Die Geldströme in den Romanen Thomas Manns

Von Anna KinderRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anna Kinder

Wenn Imma in Thomas Manns Roman "Königliche Hoheit" (1909) ins Leben Klaus Heinrichs tritt, so geschieht dies nicht still und heimlich, sondern mit Vollgas. Denn wann immer die Tochter des Milliardärs Samuel Spoelmann in Erscheinung tritt, tut sie das mit Schwung. Eines der Attribute der jungen Frau ist ihre Geschwindigkeit, sowohl im Reden - sie spricht wiederholt "rasch" - als auch in der Fortbewegung. Gleich die erste Begegnung Klaus Heinrichs mit Immas Temperament gestaltet sich, so erfährt man, "unter lebhaften Umständen". Der junge Prinz, beim belanglosen Pflicht-Smalltalk mit Offizieren auf der Hauptwache, wird Zeuge von Immas gestümem Marsch durch die sich gerade in ihrem Weg formierende Wachablösung. Die junge Studentin, die sich "sputete [...], die Universität zu erreichen", denkt gar nicht daran, einen Umweg zu nehmen oder gar zu warten, sondern fegt den soldatischen Widerstand schlicht mit den Worten "Was fällt Ihnen ein! [...] Ich habe Eile!" beiseite. Einen ähnlich akzelerierten Auftritt legt Imma bei ihrer Ankunft am Dorotheen-Kinderspital hin. Denn wenn Klaus Heinrichs Besuch eben dieser Einrichtung "plötzlich" unterbrochen wird, da "ein Automobil tutend" ankommt und vor dem Haus bremst - so ist sofort klar, dass es nur Imma sein kann, die nun vorgefahren ist. Während Klaus Heinrich noch gemütlich mit der Kutsche reist, ist die Milliardärstochter bereits mit einem motorisierten Automobil unterwegs. Von Interesse ist dies nun vor allem deshalb, weil Imma und ihr Vater mit ihrem, wie es im Roman heißt, "Schnelligkeitsbedürfnis" nicht nur eine neue Geschwindigkeit in das Großherzogtum bringen, sondern auch eine Menge Geld. Denn der hochliquide amerikanische Milliardär pumpt sein Geld in das wirtschaftlich brachliegende Land und päppelt es mit einer kräftigen Finanzspritze wieder auf. Hierbei ist das Attribut 'liquide' nicht nur im Hinblick auf Spoelmanns ökonomisches Potential zu verstehen, sondern durchaus auch im wörtlichen Sinne, denn, wie der Name ja schon verrät, sind Spoelmanns von einem dichten Netz aus Wassermetaphorik umsponnen.

Dieser kurze Blick auf Manns zweiten Roman zeigt eine Verknüpfung dreier Bereiche, nämlich die von Geld, Geschwindigkeit und einer Wassermetaphorik, die den ganzen Roman durchzieht. Diesen Motivkomplex, diese Verbindung von Geld, Beschleunigung und Liquidität möchte ich im Folgenden mit dem Begriff der ,Geldströme' fassen. Diese, so die These, können als Ausdruck oder Reflex der kapitalistischen Modernisierung angesehen werden, wie sie sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Weg bahnte.

Der Modernisierungsbegriff, der hier zur Anwendung kommt, bezieht sich also auf Prozesse der gesellschaftlichen und zivilisatorischen Modernisierung, die sich pauschal mit Schlagworten wie Urbanisierung, Industrialisierung, Technisierung, Säkularisierung und so weiter fassen lassen und sich im Aufkommen der modernen industrialisierten und dynamisierten Massengesellschaft manifestiert haben. Mit dem Begriff der ,kapitalistischen Modernisierung' möchte ich den Fokus auf gesamtgesellschaftliche Transformationsprozesse der gesellschaftlichen Modernisierung richten, die im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichten.

Ihre Auswirkungen auf die Lebenswelt wurden vor allem in den Sozial- und Geschichtswissenschaften (aber auch ein Blick in die Literatur kann diese Diagnose bestätigen) mit Kategorien wie Beschleunigung, Dynamisierung, Verflüssigung oder Auflösung beschrieben. Bewegung und Dynamik avancierten schnell zu geeigneten und beliebten Beschreibungskategorien - und zu neuen Idealen, man denke nur an Filippo Tommaso Marinettis "Futuristisches Manifest". Aber auch schon Friedrich Nietzsche hat vom "rasend-unbedachten Zersplittern und Zerfasern aller Fundamente", von deren "Auflösung in ein immer fließendes und zerfließendes Werden" gesprochen.

Dass dieser Diskurs auch heute noch aktuell ist, kann ein Blick in zwei kultur- beziehungsweise sozialwissenschaftliche Studien aus jüngster Zeit veranschaulichen. So fasste Hartmut Böhme 2006 in "Fetischismus und Kultur - Eine andere Theorie der Moderne" die Moderne als das Zeitalter, das sich durch die Auflösung des Substantiellen und Festen in Dynamik, Mobilität, Fluktuation und Ströme kennzeichnet. Und Hartmut Rosa wendet sich 2005 in "Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstruktur in der Moderne" der Kategorie der Beschleunigung zu, in der er ein Grundprinzip der Moderne ausmacht.

Um den Bogen zurück zum Geld einzuschlagen, möchte ich noch einen kurzen Blick auf Georg Simmel und seine "Philosophie des Geldes" werfen, die 1900 erschienen ist und uns damit auch zeitlich wieder in medias res führt. Denn auch Simmel hat diese Auflösungstendenzen registriert und festgehalten. Die 'Verflüssigung' wird bei ihm zum zentralen Paradigma. Das Bild der Relativität der Dinge, der Fluidizität und Liquidität sieht er als "Formel des allgemeinen Seins" an und überträgt diese Diagnose auch auf das Geld. Während dieses, so Simmel, früher "viel starrer, substanzieller, den Dingen geschlossen gegenüberstehend" war, wirkt und erscheint es jetzt - "in der Neuzeit" - "vielmehr dynamisch, fließend, sich anschmiegend". "Für den absoluten Bewegungscharakter der Welt", so Simmel, "gibt es sicher kein deutlicheres Symbol als das Geld." Das Geld ist bei Simmel sowohl die Ursache als auch der Ausdruck der relationalen Beschaffenheit der Welt. Es spiegelt die Erhöhung des Lebenstempos wider, verursacht diese aber auch.

Was ich im Folgenden nun zeigen möchte, ist, dass sich die Romane Thomas Manns - ich werde einen Blick auf "Buddenbrooks. Verfall einer Familie" (1901), "Königliche Hoheit" (1909), "Joseph und seine Brüder" (1933-43) und die "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" (1954) werfen - mit dem Motiv der Geldströme in diesem Diskurs über die kapitalistische Modernisierung, verstanden als Prozess der Beschleunigung und Bewegung, verorten lassen. Das Motiv der Geldströme reflektiert die kapitalistische Modernisierung und deren mitreißende und ungeheure Dynamisierung und steckt den Handlungsrahmen für die Protagonisten der Romane ab. Damit erweisen sich die Romane als zeitsensorisch empfindliche Geld- Beobachter.

Ihren Ausdruck finden diese Beobachtungen vor allem, wie eingangs schon skizziert, in drei Bereichen, die in den Texten immer wieder aktualisiert werden und als Markierung der kapitalistischen Moderne angesehen werden können.

Das sind einmal die Strom- und Wassermetaphorik, dann die Kategorie der Geschwindigkeit beziehungsweise Beschleunigung und drittens die mit der Dynamisierung einhergehenden zeittypischen Phänomene und Errungenschaften wie neue Technologien (man denke etwa an das Automobil von Imma Spoelmann), neue Schaufenster- und Warenwelten wie in den "Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull" und neue Geschäftsmethoden. Als Beispiel sei hier das expandierende Kreditwesen genannt, mit dem sich schon die Buddenbrooks auseinandersetzen müssen -- und das damit diesen Roman bis in die aktuelle Gegenwart hoch brisant macht.

Der Handlungsrahmen der "Buddenbrooks" erstreckt sich zeitlich von 1835 bis 1877 und führt uns damit in eine Zeit höchsten wirtschaftlichen Aufschwungs und der damit verbundenen kapitalistischen Dynamisierung. Verstreut finden sich im Roman Hinweise auf wirtschaftshistorisch bedeutsame Faktoren, wie beispielsweise den Zollverein, das Postwesen, das Eisenbahnnetz - "direkte Fahrt nach Hamburg müssen wir haben" - oder "die telegraphischen Verbindungen mit Berlin und Travemünde". Wie Thomas feststellt: "die Zeiten ändern sich, und wir haben eine Menge Verpflichtungen gegen die neue Zeit."

Die im Roman verteilten Hinweise bilden die historische Kulisse, vor der sich das Geschehen der "Buddenbrooks" abspielt. Der erzählerische Fokus liegt dabei weniger auf den geschichtlichen Details, wie schon mehrfach festgestellt wurde, als vielmehr darauf, wie sich der Erfolg und die Geschäftsformen der Buddenbrooks vor diesem Hintergrund ausnehmen. Der Zeitkontext fungiert als Schablone, vor der die Wirtschaftsweise der Buddenbrooks, besonders die von Thomas Buddenbrook, profiliert wird. Der Verfallstendenz entsprechend, nimmt sich die Entwicklung der Getreidefirma dabei meist negativ aus. Mustergültig zeigt dies die folgende Textpassage, in der die Trends der Zeit dem Buddenbrook'schen Firmenerfolg zuwiderlaufen: "[...] und jetzt, in einer Zeit, da alles sich frisch und siegesfroh regte, da seit dem Eintritt der Stadt in den Zollverband kleine Krämergeschäfte imstande waren, sich binnen weniger Jahre zu angesehenen Großhandlungen zu entwickeln, jetzt ruhte die Firma Johann Buddenbrook, ohne irgendeinen Vorteil aus den Errungenschaften der Zeit zu ziehen, und über den Gang der Geschäfte befragt, antwortetet der Chef mit matt abwehrender Handbewegung: ,Ach, dabei ist nicht viel Freude ...'".

Ein genauer Blick auf das Zitat legt zudem offen, dass die Wirtschaftsweisen an einer Kategorie gemessen werden, nämlich an der der Geschwindigkeit. Während die allgemeine Lage frisch ist und man sich regt, ruht das Buddenbrook'sche Geschäft. Diese Opposition von Bewegung, Dynamik und Aufschwung auf der einen Seite und Stillstand, Stagnation und Niedergang auf der anderen zieht sich durch den gesamten Roman. Geschäftlich und finanziell erfolgreich ist stets eine Geschäftsweise, die dynamisch, energisch und schnell erfolgt. Um es in den beschleunigten Zeiten - in "Zeiten des Sturmes und der Bewegung", wie Makler Gosch es formuliert - zu etwas zu bringen, muss man sich dem neuen Tempo anpassen. Die beschleunigte Zeit verlangt auch beschleunigte Gemüter. Die ideale Wirtschaftsweise, die viel Geld einbringt, ist eine schnelle, flexible und dynamische. Darüber ist sich auch Bendix Grünlich im Klaren, wenn er sein Geschäft bei seiner Einführung in den Familienkreis als "außerordentlich reges" beschreibt und "rastlose Tätigkeit" als seine "Lebensbedingung" angibt. Deutlich kommt das Geschwindigkeitsideal auch bei Buddenbrooks größten Widersachern zum Tragen, die nicht umsonst den dynamischen und liquiden Namen Hagenström führen. Denn während die Buddenbrook'schen Geschäfte "einen allzu ruhigen Gang gehen", ist die Firma Strunck & Hagenström mit einer "frappierenden Schnelligkeit" emporgeblüht. Der Konkurrent Hermann Hagenström legt ein frisches Tempo an den Tag und verhilft seiner Firma "frei von hemmenden Fesseln" zu Erfolg. Er passt sich dem geforderten Rhythmus an, wenn er der erste ist - "absolut in der ganzen Stadt der erste!" -, der "seine Wohnräume und seine Comptoirs mit Gas beleuchtet". Und auch nach dem Kauf des Buddenbrook-Hauses, nachdem er seine Konkurrenz "unverzüglich" überboten hatte, beginnt er "kaum aber stand das Haus [...] leer" mit den notwenigen Neuerungen. Auch die neuen Läden, zu denen er das verfallene Rückgebäude hat umbauen lassen, sind natürlich "rasch aufs vorteilhafteste" vermietet. Und so müssen Buddenbrooks zugestehen: "Wir sind überholt worden", und zwar nicht nur beim Spazierengehen.

Dieser Geschwindigkeitslogik entsprechend zeichnen sich erfolglose Geschäftsleute im Roman dadurch aus, dass ihnen der rechte Schwung fehlt. Besonders deutlich lässt sich die Bedeutung der Geschwindigkeit für den geschäftlichen Erfolg an der Entwicklung der Firma Buddenbrook nachvollziehen. So konnte zur Zeit von Thomas' Großvater Johann senior ein Geschäftsmann noch mit gemächlichem Tempo erfolgreich sein. Thomas beschreibt diese Generation, die zur Beleuchtung noch Kerzen verwendet, die "langsam, langsam" brennen, als "behäbige und glückliche", während er gleichzeitig erkennt, dass es nicht "beständig so weiter" gehen kann und eine neue Dynamik von Nöten ist: "Ja, kurz und gut, wir müssen uns regen!". Bereit sich den Erfordernissen der Zeit anzupassen, legt Thomas bei der Übernahme der Geschäfte einen Gang zu. Die "allzu ruhige" und "solide" Gangart wird zugunsten eines frischeren und unternehmenderen Geistes aufgegeben. Thomas widmet sich mit Elan der Firma und bringt damit auch zunächst neuen Schwung in die Geschäfte, die dem "Erdgeschoß Leben und Bewegung" verleihen. Er wird als fixer Kerl wahrgenommen, der seine Begabung "rasch" unter Beweis stellt. Seine Tage, die als die "lebhaftesten und tüchtigsten" beschrieben werden, sind dabei so ausgefüllt, dass ihm nur Zeit für ein "flüchtiges Frühstück" bleibt.

Mit einem Blick zurück auf die Getreidefirma lässt sich festhalten, dass diese nach der Übernahme der Geschäfte durch Thomas "vortrefflich Jahre" verbuchen kann. Doch in dem Maße, in dem Thomas' Elan zurückgeht, geht es auch mit der Firma bergab. Die Verlangsamung des Geschäftsführers geht Hand in Hand mit einer Reduzierung der Geschäfte. "Verluste" und ein "freudloses Tempo, das der Geschäftsgang genommen hatte" spiegeln sich in der zunehmenden Ermattung und Erschlaffung Thomas Buddenbrooks wider. Er wird nicht mehr als energetischer Macher beschrieben, sondern als "ermatteter Mann", der "still", "müde und verdrossen" und "gelähmt" ist. Dass von seinem Kompagnon, Herrn Marcus, hier keine Energiezufuhr zu erwarten ist, ist schon von Anfang an klar, wird dieser doch als das "retardierende Moment im Gang der Geschäfte" und als "Bleikugel am Fuße" von Thomas eingeführt. Die Verbindung von Geschwindigkeit und Geldzufluss zeigt sich exemplarisch dann auch beim Tod Thomas Buddenbrooks, der ja das Ende und damit den absoluten Stillstand der Geschäfte bedeutet. Während, und hier wird erneut das allgemeine Tempo in Verhältnis zum Buddenbrook'schen gesetzt, es in der Stadt "lebendig" zugeht und ein "reger Verkehr" herrscht, bewegt sich Thomas bereits "langsam" durch die Straßen, bis er dann kollabiert und hinstürzt.

Es zeigt sich also deutlich, dass bei der Schilderung des Geschäftsalltags mehr das Wie als das genaue Was interessiert. Im Vordergrund steht nicht eine exakte Darstellung der Wirtschaftslage oder der Wirtschaftsweise des einzelnen Kaufmanns, sondern vielmehr die jeweilige Geschwindigkeit und der damit korrespondierende finanzielle Erfolg.

In der qualitativen Schilderung der kaufmännischen Tätigkeit wird also auf ein zeitgemäßes Tempo gesetzt. Wer in den kapitalistisch dynamisierten Geldströmen nicht untergehen will - so zeigt uns der Roman - der muss sich kräftig ins Zeug legen.

Dass es sich bei diesem dynamischen Ideal auch um ein strömendes, fließendes handelt, wird bei einem Blick auf die Strommetaphorik und die Wasser-Semantik des Romans deutlich. Die Zirkulation der einzelnen Protagonisten korrespondiert mit ihrem geschäftlichen Eifer und Erfolg. So ist Tony davon überzeugt, dass Alois Permaneder, der sich "mit der Mitgift seiner Frau ganz einfach zur Ruhe setzt", "statt des Blutes einen dickflüssigen Malz- und Hopfenbrei in den Adern hat". Und nicht nur die Firmenbilanz, sondern auch Thomas' "Blutzirkulation" lässt gegen Ende "ein wenig zu wünschen übrig". Wenig flüssig ist auch die Situation des Kreditbetrügers Bendix Grünlich, steckt dieser doch in einem "Morast" fest. Während hier also die Flussdynamik den Geldströmen entspricht, laufen die tatsächlichen vorkommenden Wasserströme den geschäftlichen Erfolgsquoten in der Regel zuwider. So versucht Herr Marcus, das "retardierende Moment im Gang der Geschäfte", seinen Mangel an personaler Dynamik damit zu kompensieren, dass er regelmäßig seinen Kopf "unter den Strahl der Wasserleitung" hält. Die steigende Frequenz dieser Tätigkeit - anfangs noch "fünf- oder sechsmal während der Comptoirzeit [...]", später dann "nach jeder halben Stunde" - steht quasi in indirekt proportionalem Verhältnis zu den sinkenden Einnahmen der Firma. Ebenso verhält es sich mit dem Regen im Roman. Alle wichtigen Entscheidungen und Ereignisse, die sich im Gesamtbild negativ auf die Familien- und Firmenbilanz auswirken, werden von heftigen Regengüssen gerahmt und begleitet. So regnet es bei Grünlichs Besuch in Travemünde "in Strömen", und auch als der Konsul seinem bankrotten Schwiegersohn die Abschiedsvisite macht, wird der "Regen" erwähnt, der "draußen [...] zugenommen" hat. Ebenso erweist es sich als schlechtes Omen, dass es, kaum hat Tony zum zweiten Male einen Heiratsantrag angenommen - man hat dafür extra einen Ausflug zu einer "Quelle" unternommen - zu regnen beginnt. Des Weiteren plätschert, prasselt und trommelt der Regen beim Tod des Konsuls, wie auch bei dem seiner Frau und bei deren Beerdigung. Ombografisch messen ließe sich auch die Sinnlosigkeit von Thomas' Erholungsaufenthalt in Travemünde, regnet es dort doch ständig.

Geld, Geschwindigkeit und Strommetaphorik stellen somit kontingente Größen dar, die im Roman in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, wobei die beiden letzteren als Indikatoren für die erste dienen. Persönliche Geschwindigkeit und allgemeine Wetterlage geben Auskunft über den ökonomischen Erfolg einer Person und den Gang ihrer Geschäfte.

Dass die Buddenbrooks mit den modernen, schnelleren Geschäftsmethoden nicht mithalten können, zeigt sich vor allem in Hinblick auf ihren Umgang mit Kreditgeschäften. Während Hagenströms sich den Erfordernissen der Zeit anpassen, halten Buddenbrooks an dem veralteten kaufmännischen Handel ohne Kredit fest und verweigern sich, wie Franziska Schössler es formuliert, "der Transformation des spezialisierten Großhändlers zum Kapitalisten". Sie verpassen den Anschluss an die moderne, kapitalistische Wirtschaft, indem sie sich dem Trend der Zeit entziehen und den Schritt von der durch Eigenkapital gedeckten Warenwirtschaft zur Kreditwirtschaft nicht vollziehen - und verkennen damit die Anforderungen ihrer Zeit.

Im Roman "Königliche Hoheit" stehen sich alte und neue Wirtschaftsformen ähnlich kontrastiv gegenüber, wobei die Gegensätze hier noch deutlicher konturiert werden. Auf der einen Seite haben wir das rückständige, völlig verschuldete Land, auf der anderen Seite den amerikanischen Kapitalisten mit seinem Milliardenvermögen.

Dieser Gegensatz wird entsprechend der eingangs skizzierten Geldstrom-Metaphorik operationalisiert. So zeichnet sich die anfängliche Situation im Großherzogtum, wie sie im passend bezeichneten Kapitel "Die Hemmung" skizziert wird, vor allem durch Bewegungslosigkeit und Erstarrtheit aus. Das Land wird als "stilles, unhastiges Land" beschrieben, das alles andere als "schwunghaft" ist. Selbst in der Residenzstadt herrscht nur ein "Verkehr von mittlerer Regsamkeit", der dem "nicht sehr geschäftigen Charakter der Stadt" entspricht. Der Oberhofmarschall, in Finanzdingen nicht unwichtig, leidet an "Katalepsie", und das einzige, was irgendwie (aus)strömt, ist der Moderduft des Rosenstocks. Die Wirtschaft (und Wirtschaftspolitik) des Landes ist völlig rückständig, denn die zuständigen Personen, so erfährt man, "haben sich bis zum heutigen Tage noch nicht entschließen können, Industrielle und Finanzleute zu werden." Eine moderne Kreditwirtschaft, mit sinnvoller Kapitalinvestition, wird abgelehnt. "Kreditbeschaffung zum Zwecke wirtschaftlicher Verbesserung", heißt es im Roman, "scheint ihnen unzulässig."

Im Gegensatz dazu wird die Sphäre des Geldes und des Kapitals als lebhafte, lebendige, schnelle und strömende Sphäre gezeichnet. Deutlich zeigt sich dies schon vor Eintreffen des amerikanischen Protokapitalisten, wenn Klaus Heinrich seine Schwester Ditlinde besucht, die dem kalten Leben im Alten Schloss ein Leben an der Seite eines unternehmerisch aktiven Mannes - Phillipp ist "Geschäftsmann und Gewerbetreibender" - vorgezogen hat. Als Unternehmer ist er ein "Herr von vorgeschrittenen Anschauungen", der sein Kapital gewinnbringend investiert und in neue "Unternehmungen" steckt. Entsprechend der Bewegungslogik, die auch in "Buddenbrooks" dominiert, ist Ditlindes Mann ständig "unterwegs" und hat "viel zu tun". Auch die Wohngegend des wohlhabenden Ehepaares kann "ziemlich lebhaften Verkehr" aufweisen, und verfügt bereits über eine Trambahnlinie.

Wie oben schon angerissen, entfaltet die Strom-Metaphorik dann mit der Ankunft von Spoelmanns ihre volle Wirksamkeit. Personen wie Lokalitäten sind mit liquiden Namen versehen, bei Spoelmanns plätschert kontinuierlich der Brunnen und Immas Äußeres - von der fließenden Sprache ihrer Augen bis hin zum Kleid aus seegrüner, glänzender Seide - gleicht dem der kleinen Meerjungfrau. Finanzielle wie metaphorische Liquidität gehen hierbei mit der entsprechenden Dynamik und Geschwindigkeit Hand in Hand. Ergänzt werden diese mit neuen, modernen technologischen Errungenschaften. Spoelmanns verfügen nicht nur über Automobile, sie statten ihr Schloss Delphinenort mit modernen Heizungsanlagen aus, es gibt eine elektrische Orgel sowie strahlende Glühlampen anstelle von alten Kerzen, und der elektrische Teekessel schafft es sogar bis in die Tageszeitung.

Entsprechend belebend wirkt sich dann auch die Finanzspritze Spoelmanns, das "flüssig gemachte Kapital", aus. Der kranke und schwache Staatskörper gesundet dank der Speolmann'schen Geldspende, die Wirtschaft kommt wieder in Schwung und sogar das alte Schloss bekommt endlich eine neue, moderne Zentralheizung. Dem liquiden Medium Geld wird eine höchst belebende und positive Wirkung attestiert, die dem, der sich mit ihm befasst und genug von ihm hat, rote Backen beschert. Dort, wo kein Geldmangel herrscht, ist es "warm und gut", die Blumen blühen im Überfluss und man braucht, im Gegensatz zu Albrecht, keine Pulswärmer. Das amerikanische Kapital strömt also mit wärmender und heilender Wirkung in das kranke Land und sorgt für eine allgemeine Belebung und Gesundung.

Ob der rückständigen Volkswirtschaft aber die Umstellung auf eine moderne kapitalistische Wirtschaftweise - wie Jochen Hörisch es formuliert: die Umstellung von Moder auf Moderne - gelingen wird, bleibt erstmal offen. Angesichts des gesteigerten Interesses des Herrscherpaares an finanzwirtschaftlichen Themen besteht jedoch zumindest die Hoffnung.

Die Romantetralogie "Joseph und seine Brüder" fällt zeitlich auf den ersten Blick vermeintlich etwas aus dem anfangs abgesteckten Zeitrahmen der kapitalistischen Modernisierung heraus, einmal hinsichtlich der Ansiedlung des Romans in der 'Ur-Zeit' und zum anderen in Hinblick auf den Enstehungszeitraum. Doch entpuppt sich die ägyptische Sphäre bei genauem Blick schnell als moderne, dynamische und sogar global agierende Wirtschaftssphäre.

"Joseph und seine Brüder" kann man im wahrsten Sinne des Wortes als Roman der Ströme bezeichnen. Die Geld- und Wasserströme bilden ein dichtes Motivnetz, das alle vier Teile der Tetralogie durchzieht. Einen ersten Hinweis darauf findet man schon im Vorspiel, in dem permanent von Brunnen, Oasen, Strömen und anderen Gewässern die Rede ist. Im Fortgang der Romanhandlung kann man dann zwei Wasser- und Wirtschaftssphären unterscheiden.

Da ist zum einen Kanaan, die Sphäre von Josephs Vätern, die ganz klar mit dem Symbol des Brunnens verknüpft ist. Die zentrale Bedeutung des selben ergibt sich ja schon aus seiner Wichtigkeit als Lebensspender für das Hirtenvolk. Dennoch fällt die Häufigkeit auf, mit der dem Brunnen und der Wasserversorgung in den ersten beiden Teilen gedacht wird. Alle zentralen Ereignisse spielen in Brunnennähe oder stehen mit einem Brunnen in Verbindung - Jaakob trifft Rahel am Brunnen, wir lernen Joseph am Brunnen kennen und schließlich beginnt der Roman mit einem Brunnen. Die 'Brunnendichte' Kanaans sticht auch dem alten Händler, der Joseph kauft und damit aus dem Brunnen befreit, ins Auge:

"Du sprichst, und das Wort Brunnen schlägt an mein Ohr jeden Augenblick. Ihr wechselt Weide und Brunnen. Ihr habt des Landes Brunnen am Schnürchen. Euer Vater hat einen Brunnen gebaut, sehr tief und breit. Eures Großvaters Großknecht freite am Brunnen. Euer Vater auch, wie es scheint. Es summt mir wahrhaft im Ohre von Brunnen, die du erwähnst."

Und schließlich ist es ja auch der Brunnen, durch den Joseph in die Unterwelt Ägyptens eintritt, wie wiederholt festgestellt wird, und damit von einer Wirtschaftssphäre in die andere wechselt. Die Sphäre des Brunnens wird verlassen, und Joseph in das globalisierte Land der Ströme gebracht. Dass es sich bei diesem, von Jaakob als Totenreich und Unterwelt diffamierten Land um ein Land des Reichtums und des Geldes handelt, weiß Joseph schon aus den Erzählungen seines Vaters, aber auch der Kaufmann auf seiner Reise initiiert ihn, wenn er andeutet, dass man in Ägypten durchaus schwarze Zahlen schreibt, denn: "Ägypten ist schwarz von Fruchtbarkeit und nicht rot wie die elende Wüste." Und in der Tat kommt Joseph entsprechend dem Plus an Dynamik, das der Strom dem einzelnen Brunnen voraushat, in ein Land, in dem ein anderer Rhythmus herrscht. Florierender Handel, auch über die Landesgrenzen hinaus, reger Verkehr und Menschengewimmel bestimmen nun das Bild. Bei seiner Reise nach Ägypten lernt Joseph gleich den enormen Flussverkehr und den Hochbetrieb kennen, der am Hafen herrscht, und er wird per Boot - mit dem klingenden Namen "Glänzend durch Schnelligkeit" - befördert.

Wie der Kaufmann ihm erklärt: "es ist die Zeit des Verkehrs und der Wechselgeschenke, und wir Reisenden sind ihre Diener und Priester" - wobei man sich an Heines Ausspruch "Das Geld ist der Gott unserer Zeit und Rothschild sein Prophet" erinnert fühlt.

Aber auch Josephs Karriere und Wirtschaften in Ägypten steht ganz im Zeichen des Stromes, und so verwundert es nicht, dass seine Erhöhung zum Ernährer, ein Name, den auch der Nil trägt, ihren Ausdruck tatsächlich in einer "Überschüttung" findet. Von einem Erscheinungsfenster aus wird er mit "Geldgeschenken von allerlei Gestalt" übergossen. Es regnet Vasen, Ketten, aber auch Dolche und Beile aus gediegenem Gold auf ihn hernieder - und Joseph wird zum reichen Mann.

Die Handlung der "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull", so Thomas Mann in einer Einführung zu einem Kapitel des Romans, "spielt gegen Ende des 19. Jahrhunderts" und führt uns damit wieder in die Zeit höchsten wirtschaftlichen Aufschwungs. Felix ist "wenige Jahre nach der glorreichen Gründung des deutschen Reiches" geboren und seine Kindheit fällt, wie die seines Autors, in die "Glorie des neugegründeten Deutschen Reiches". Auf die Einigung Deutschlands folgte, nicht zuletzt Dank der französischen Reparationszahlungen, die Phase des Gründerbooms, die einer Reihe von Leuten einen enormen Reichtum und damit einen parvenuehaften Aufstieg ermöglichte. Spekulanten, Fabrikbesitzer und Eisenbahnkönige von Spoelmann'schem Zuschnitt betraten das Parkett der großen Welt. Eine Madame Houpflé, die einen "reichen Industriellen" geheiratet hat, der seine Vermögen dem liquiden Geschäft mit "Straßburger Klosettschüsseln" - denn die "braucht jeder" - verdankt, kann nun in einem Pariser Grand Hotel absteigen, ebenso wie die Familie Twentyman, die "aus kleinbürgerlichen Verhältnissen aufgestiegen war". Eine neue Klasse des Geldadels kommt hier zum Zuge, die ihren frisch erworbenen Reichtum zur Schau stellt und sich und ihren luxuriösen Lebensstil in ganz Europa zelebriert. Geschmückt mit Brillanten und der neusten Mode gehört man zur Welt der "feinen Leute", wie sie Heinrich Mann in seinem Roman "Im Schlaraffenland" schildert: "Gutes Essen, feine Weine, Weiber, Witze, Kunst und Vergnügen, es ist alles da."

Es ist eben diese "Geld- Diner und Lustreise-Gesellschaft", so Thomas Mann in einem Brief, die den Rahmen des Felix Krull bildet, und die der Protagonist in Frankfurt, Paris und Lissabon kennen lernt. Schauplatz des Romans ist die moderne Metropole mit ihren Menschenmassen, ihrem Verkehrsgetümmel und Warenangebot, wie sie im ausgehenden 19. Jahrhundert auf den Plan tritt. Dort spielt sich das Leben der "überfütterten Luxusgesellschaft" in Kaffeehäusern, Einkaufsstraßen, Hotels und Theatern ab. Die pompöse, glänzende und prunk- und vergnügungssüchtige vornehme Welt findet ihren Ausdruck im Roman in zahlreichen Schilderungen und "Szenen der schönen Welt". Dabei wird die glänzende und verlockende Aura der Welt der "Großen und Reichen" mit Eindrücken der Masse, der Menge und des Überflusses kombiniert. Die Waren werden "breit und reichlich" angeboten, die Menschen betreten als "Strom der Hineinwallenden" die Theater und "strömen" auch wieder heraus. Exemplarisch kann diese Verbindung die folgende Passage veranschaulichen, die Felix' erste Eindrücke des Paris der Belle Époque wiedergibt: "[...] mit Staunen und der wohlgefälligsten Ehrehrbietung blickte ich, mein Köfferchen auf den Knien, von dem engen Sitz, den ich im Omnibus erobert, hinaus in den flammenden Glanz dieser Avenuen und Plätze, auf das Getümmel ihrer Wagen, das Gedränge der Fußgänger, diese strahlend alles bietenden Läden, einladenden Café-Restaurants, mit weißem Glüh- oder Bogenlampenlicht das Auge blendenden Theater-Fassaden, [...]. Das Getöse, durchschrillt von den Schreien der Zeitungsverkäufer, war betäubend, und sinnverwirrend das Licht."

Die moderne Großstadt mit ihrem alliterierenden Glanz, Gedränge, Getümmel und Getöse tritt hier als lebendige und verlockende Verführerin auf den Plan, die eine ungemeine Faszinationskraft ausübt. Exemplarisch lässt sich dies auch in den Schilderungen der Frankfurter Schaufensterwelt nachvollziehen, die alle Register der Warenfaszination und des Warenfetischismus zieht.

Spannend in Hinblick auf die Strommetapher wird es nun, wenn man den Blick auf Felix' Verhältnis zum Geld lenkt und auf seine im doppelten Sinne liquide Existenz, die er anstrebt und mit dem Handel mit dem Marquis de Venosta dann auch verwirklicht.

Die Welt des Felix Krull ist eine Welt des schönen Scheins und der Täuschung, der Beweglichkeit und Simulation, eine Welt, in der dank des Mediums 'Geld' die Herstellung eines jeglichen Scheins möglich wird, in der soziale Rollen, so sieht es Felix, frei wählbar sind.

Das Geld wird hier zum Ausdruck einer Welt, in der nichts fixiert, sondern alles vielmehr im Fluss ist. Und auch Felix selbst wird, dank des ertragreichen Kontaktes mit Madame Houpflé und dank des Kreditbriefes des Marquis, nicht nur finanziell liquide, sondern auch in seiner Existenz. Er wird zu einem "Neuling der Beweglichkeit", wie ihn Professor Kuckuck im Zug nach Lissabon treffend charakterisiert, und gleicht tatsächlich einer "modernen Seelilie", die sich "schwimmend" und "losgelöst" auf die Reise begeben kann. Seine Existenz wird zu einer "zart schwebenden".

Das spannende an diesen Beobachtungen ist nun, dass sich zwischen dem tauschenden und sich austauschenden Felix und der Größe Geld verblüffende Überschneidungen ergeben. In seiner mobilen Allbezüglichkeit, seiner Austauschbarkeit, Omnipotenz und "panerotische[n] Unmoralität", so Mann in einem Brief an Theodor W. Adorno, gleicht er in hohem Maße dem indifferenten Medium Geld. Liest man, was Georg Simmel über das Geld schreibt, so könnte man sich auch in den Ausführungen von Hans Wysling über Felix Krull wähnen. So betont Simmel die "Qualitätslosigkeit oder Unindividualität" von Geld, bezeichnet es als "völlig indifferent" und sieht im Geld als "Träger und Ausdruck der Tauschbarkeit als solcher, das unidividuellste Gebilde unserer praktischen Welt". "Das Geld", so Simmel weiter, "ist nicht nur der absolut fungible Gegenstand, von dem also jedes Quantum durch beliebig andere Stücke ununterscheidbar ersetzt werden kann, sondern es ist sozusagen die Fungibilität der Dinge in Peson." Diese Charakterisierung entspricht durchaus dem Vokabular von Wysling, der von Felix' "Versalität, ,Omnipotenz und Ubiquität'" und dessen "absoluter Disponibilität" spricht.