Der Wiglaf isst dem Bastian sein Brot

Aber Wiglaf Droste kann mehr als Sprachkritik

Von Stefan HöppnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Höppner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Man soll kein Rechthaber der Sprache sein, sondern ihr Liebhaber." So schreibt es Wiglaf Droste in seinem vorhergehenden Kolumnenband "Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen?" (2007), einem von vielen gelungenen aus den letzten 20 Jahren. Seit der 1961 geborene Ostwestfale mit seinem Debüt "Kommunikaze" (1989) auf den Plan trat und lange Zeit vor allem als "taz"-Kolumnist reüssierte, gehörten die Schönheit und die Verirrungen der deutschen Sprache stets zu den Hauptgegenständen seiner ebenso komischen wie bitterbösen Kurzaufsätze. Der neue Sammelband "Im Sparadies der Friseure" stellt diese Seite aber zum ersten Mal explizit in den Vordergrund. Der Untertitel sagt es: "Eine kleine Sprachkritik".

Nun ist Sprachkritik in den letzten Jahren Mode geworden, wie man nicht zuletzt an Bastian Sicks "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" ablesen kann. Erstaunlich daran ist nicht nur der Verkaufserfolg von mittlerweile drei Bänden und einem Brettspiel, sondern vor allem, dass es offenbar möglich ist, mit einer Benimmschule der Grammatik auf Tournee zu gehen und ganze Hallen zu füllen. Dabei geschieht auf der Bühne nicht viel mehr als das leicht aufgepeppte Verlesen von Dudenregeln. Dass Wiglaf Droste zum Trittbrettfahrer solcher Biederkeiten würde, kann man sich eigentlich nicht vorstellen. Und so ist es auch nicht gekommen. Zum einen ist der Ton ein anderer: Wo Bastian Sick sprachkundige Nettigkeiten verbreitet, wettert Droste mit Verve gegen das "Verabschieden" von Paketen, gegen Heinz Rudolf Kunze, steindumme Werbeslogans und Vereine zur "Reinerhaltung der deutschen Sprache", die ihrer Xenophobie ersatzweise auf linguistischem Gebiet Luft machen, weil die tätliche Fremdenangst juristisch und politisch nun mal nicht opportun sei.

Damit wären wir beim zweiten, sehr viel wichtigeren Unterschied: Sick geht es in erster Linie um einen korrekten, ästhetisch ansprechenden Sprachgebrauch. Welche Wertordnungen dahinter stehen, ist für ihn sekundär. Insofern kann man ihm auch die engstirnigen Sprachreinhalter nicht anlasten, die hinter jedem "Info Point" oder "Snack Shop" amerikanische Weltherrschaftsgelüste oder das Böse schlechthin wittern. Zwar kritisiert auch Droste überflüssige oder nur vermeintliche Übernahmen aus dem Englischen wie das "Public Viewing" - was in Großbritannien die öffentliche Aufbahrung eines Verstorbenen bezeichnet. Aber gerade hier zeigt sich der Unterschied: Wo jemand wie Sick sich auf die Kritik der Sprache selbst beschränkt, da geht es für Droste um Sprachkritik als Auseinandersetzung mit der Geisteshaltung hinter den Worten. Und in dieser Hinsicht bekommt das Pseudo-Englisch der Werbeagenturen ebenso sein Fett weg wie die BILD-Zeitung oder das linguistische Fahnenschwenken der Nationalisten. Diese Haltung teilt der bekennende Linke Droste mit Kurt Tucholsky, mit dem er zu Recht immer wieder verglichen wird. Passenderweise ist er noch bis zum Juli dieses Jahres Stadtschreiber in Rheinsberg, das ja durch einen Tucholsky-Roman zu literarischem Ruhm gelangte. Drostes Ideal ist eine lebendige, ästhetisch ansprechende Sprache, ohne dass allerdings sichtbar würde, wie ein solcher Sprachgebrauch aussehen könnte. Hier zeigt sich, dass Drostes Stärke eben im pointierten Austeilen liegt, nicht im Durchdenken konkreter Alternativen.

Trotzdem ist es in gewisser Hinsicht Etikettenschwindel, wenn der Verlag "Im Sparadies der Friseure" als "Sprachkritik" untertitelt. Denn im Grunde macht Droste hier nichts anderes als in vielen früheren Kolumnensammlungen auch. Wenn das Buch dabei nicht ganz an Bände wie "Mein Kampf, dein Kampf" (1992), "Begrabt mein Hirn an der Biegung des Flusses" (1997) oder "Der infrarote Korsar" (2003) heranreicht, liegt das kaum an den einzelnen Texten, sondern vielmehr daran, dass sich der Band nur auf eine Seite des Autors konzentriert. Die meisten seiner Bücher leben nämlich von ihrer Vielfalt. Droste ist nicht nur einer der besten Polemiker deutscher Zunge, er ist auch ein hochkomischer Lyriker und - man würde es kaum vermuten - ein großer Idylliker. Er versteht es, brandenburgische Seen und Schweizer Bergtäler als die schönsten Orte der Welt zu beschreiben. Man glaubt es ihm sofort. Am liebsten würde man stehenden Fußes den Koffer packen und ihm nachreisen - und würde sich in seinen Augen vermutlich zum nervtötenden Touristen degradieren. Jedenfalls wenn man es wagen sollte, sich direkt neben ihm niederzulassen.

Wer Drostes ätzende Sprachkunst schätzt und Nachschub wünscht, ist auch mit dem neuen Band bestens bedient. Wer ihn erst kennen lernen möchte, dem sei anderes empfohlen: erstens die große Lyriksammlung "nutzt gar nichts, es ist Liebe" (2005), zweitens das mit TV-Koch Vincent Klink geschriebene "Wir schnallen den Gürtel weiter" (2008), eine Sammlung von Texten aus der gemeinsamen Zeitschrift "Häuptling Eigener Herd", und schließlich dasjenige Buch Drostes, das den schönsten Titel von allen trägt: "Wir sägen uns die Beine ab und sehen aus wie Gregor Gysi" (2004).


Titelbild

Wiglaf Droste: Im Sparadies der Friseure. Eine kleine Sprachkritik.
edition TIAMAT, Berlin 2009.
144 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783893201327

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