Suffragetten und Suffragisten
Michaela Karl schildert den Kampf britischer Frauen um das Frauenstimmrecht
Von Rolf Löchel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseVor einigen Jahren verfilmte Katja von Garnier für HBO den Kampf der amerikanischen Suffragetten um das Frauenstimmrecht. Bald darauf erschien der Film hierzulande unter dem Titel „Alice Paul – der Weg ins Licht“, der ihn fast zwangsläufig unter Kitsch-Verdacht stellen musste. Das wird dem Werk allerdings ganz und nicht gerecht. Nicht nur, weil der Film selbst überaus sehenswert ist, sondern auch wegen des interessanten und informativen Kommentars von Regisseurin Katja von Garnier und Drehbuchautorin Sally Robinson.
Bevor die von Hilary Swank verkörperte Protagonistin des Films Alice Paul zu einer der wichtigsten Kämpferinnen für das Frauenstimmrecht in Amerika wurde, hatte sie ihre Lehrjahre bei den britischen Suffragetten absolviert. Deren Geschichte hat nun Michaela Karl aufgeschrieben. Dabei ist ein ganz ungemein informatives und in seiner zweiten Hälfte sogar immer wieder richtig spannendes Buch entstanden. Denn „Frauenstimmrecht“ klingt möglicherweise heute zwar in manchen Ohren langweilig und angestaubt. Der Kampf, den die Suffragetten unter Einsatz ihres Lebens führten, mag jedoch alles mögliche gewesen sein. Langweilig aber war er nicht eine Sekunde lang, und die Darstellung Karls ist alles andere als angestaubt. Nicht ganz unwichtig ist auch, dass Karl keineswegs dazu neigt, unkritische Lobeshymnen auf die führenden Köpfe der Bewegung anzustimmen, sondern durchaus auch deren fragwürdige Seiten anspricht und den bei manchen bedenklichen Lebensweg nach Erreichen des Frauenstimmrechts nicht verschweigt. Wie es einem solchen Buch gebührt, stellt sie ihre Protagonistinnen also zwar ins rechte Licht, lässt aber auch die Schatten hervortreten, die auf so manche der Frauen oder auch die Bewegung insgesamt fallen.
Zwischen die einzelnen Kapitel hat die Autorin kurze Biografien einiger der wichtigsten Protagonistinnen im Kampf ums Frauenstimmrecht geschaltet. Nicht alle von ihnen teilten das Anliegen der Suffragetten. So wand sich eine der porträtierten Frauen, die berühmte Florence Nightingale, in ihrem „Ratgeber für Gesundheits- und Krankenpflege“ nicht nur dagegen, dass sie selbst und ihre Geschlechtsgenossinnen das Wahlrecht bekommen, sondern auch gegen das Frauenstudium.
Wem die Namen Annie Besant, Emily Wilding Davidson oder die diversen Frauen der Familie Pankhurst unbekannt sind, wer den Unterschied zwischen Suffragetten und Suffragisten kennen oder überhaupt Näheres über die Entwicklung der Frauen(stimmrechts)Bewegung des Victorianischen Zeitalter wissen möchte, ist mit dem vorliegenden Buch bestens bedient. So sind auch die profunden Kenntnisse, welche die Autorin vor allem zu Beginn über die gesamte (Kultur-)Geschichte der Ära ausbreitet, weder überflüssig noch langweilig, sondern hochinteressant und für das Verständnis der Frauenstimmrechtsbewegung unabdingbar.
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