Punk in der DDR
Ein Ausstellungskatalog und Materialsammlung über eine ignorierte Kultur, herausgegeben von Michael Boehlke und Henryk Gericke
Von Thomas Neumann
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIm Jahr 2005 ist die erste Auflage des vorliegenden Ausstellungskatalogs anlässlich einer Ausstellung unter dem Titel „too much future“ (2005) in Berlin erschienen. Wollte man ein Exemplar, war es nur noch schwierig zu bekommen. Daher war eine Neuauflage durchaus sinnvoll. In der vorliegenden zweiten Auflage haben sich die Herausgeber die Mühe einer Überarbeitung gemacht und den Katalog um Material ergänzt. Aktueller Anlass war die Neuauflage der Ausstellung in Dresden, wo man das Berliner Konzept übertragen und an die regionalen Dresdener Verhältnisse anpassen konnte – unter anderem durch Einbezug der Lokalgeschichte regionaler Ausformungen des Punks in Dresden und Umland. Hinzu kommen weitere Äußerungen der Punkbewegung der 1980er-Jahre, etwa in Weimar oder Erfurt. Das heterogene Material zu einem gängigen Konzept zusammenzustellen war keine leichte Aufgabe.
Der Katalog ist wie ein Typoscript gestaltet, auf einer Seite der deutsche, auf der anderen der englische Text. Hinzu kommen umfangreiche Abbildungen, die in Kombination mit den flugblattähnlichen Texten versuchen, einen Eindruck von der Spontaneität, Kreativität und den Schwierigkeiten zu vermitteln, die die Punkszene in der DDR geprägt haben. Das typografisch anspruchsvolle Layout darf als gelungen bezeichnet werden. Inhaltlich wird die Beziehungen zwischen Punk und Kirche aus den Augen verloren, die Staatssicherheit spielt auf fast jeder Seite eine Rolle. Sehr erfreulich für die weitere Beschäftigung mit der Thematik ist ein sich am Ende des Bandes befindendes „Bandregister“, das einen eindrucksvollen überblick über die Szene gibt, inklusive der Besetzung der jeweiligen „Musikkapelle“.
Zu der Ausstellung „too much future“ gibt es außerdem eine DVD und eine Webseite. Dort findet man weiterführende Hinweise, aktuelle Daten zur Ausstellung und weitergehende Literaturhinweise. Zusammen mit der DVD und den einschlägigen Zeitschriften – etwa das OX – kann sich der Leser auch aus historischer Perspektive über das kulturelle Phänomen von „Punk in der DDR“ informieren. Dass es sich hierbei um ein wesentliches, kreatives und kulturgeschichtlich relevantes Zeugnis im Kontext eines totalitären Regimes handelt, wird bei der Lektüre des Bandes deutlich. Damit wird der mit seinen Interviews und persönlichen Zeugnissen gefüllte Band unversehens zu einem hervorragenden Lesebuch, das den Einstieg in die Problematik des Themas kurzweilig gestaltet. Ein gut gemachtes Buch in einer sehr ansprechenden Verpackung und daher sehr zu empfehlen.
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