Ungeliebtes Überbleibsel

Trotz unbestreitbarer Vorzüge fristet das Textinterview auf den Websites der Buchhändler ein Nischendasein: mit phantasielosen Fragen, oft lieblos gelayoutet – und meist gut versteckt

Von Christina Walter, Johanna Westerholt und Beata WruszczakRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Walter, Johanna Westerholt und Beata Wruszczak

Neben Hörbüchern, E-Books zum Herunterladen, Videointerviews und Kurzfilmen findet sich auch das gute alte Print-Interview noch auf den Seiten der Online-Buchhändler. Gut versteckt unter den jeweiligen Buchtiteln lässt es sich allerdings häufig lediglich per Zufall finden. „Die Interviews stehen unmittelbar im Zusammenhang zu einem bestimmten Werk des Autors, daher haben wir diese bei den Titeln angesiedelt“, erklärt Eva Großkinsky, als Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Weltbild auch für die Online-Shops zuständig.

Viele andere Internet-Buchhändler scheinen diese Philosophie zu teilen, denn nur auf wenigen Websites sind die Interviews gut sichtbar platziert. Buecher.de und buchhandel.de gehören dazu. Bei buecher.de ist es allerdings immer der gleiche, teilweise etwas abgewandelte Fragebogen, in denen der Autor oft nur angefangene Sätze zu Ende führen muss. Besonders beliebt sind hierbei Phrasen à la „Ich möchte gerne schreiben…“ oder „Wenn ich mal nicht weiterkomme…“ – nicht besonders originell. Eigentlich reicht es, ein Interview zu lesen, um alle zu kennen.

Nur für die Kundenzeitschrift

Die anderen Online-Buchhändler geben sich da mehr Mühe. Die Fragen sind individuell für jeden Autor und sein Werk zugeschnitten. Leider werden die Interviews zuweilen ohne redaktionelle Bearbeitung auf die Seite gestellt, so dass Fragen und Antworten als unübersichtlicher Fließtext erscheinen. So bei Weltbild: Da kann ein Interview noch so engagiert geführt und beherzt beantwortet sein – die Lust am Lesen vergeht schon beim Anblick der Textfläche. Auch ein Foto als Blickfang wäre angebracht, um den schlichten Text gegen das Video-Interview, die größte Konkurrenz im Internet, in Position zu bringen.

Doch es gibt bessere Lösungen: Buchhandel.de und Hugendubel haben ihr Layout wesentlich ansprechender gestaltet. Allerdings stehen dem User die Interviews bei letzterem nur als pdf-Datei zur Verfügung. Das Unternehmen würde diesen Umstand gerne ändern, allerdings weiß das der Zeitungsverlag, der für die gedruckte Kundenzeitung des Großbuchhändlers die Interviews führt, zu verhindern. Er fürchtet Leser zu verlieren, wenn die komplette Zeitung problemlos portioniert im Internet zu finden ist.

Einer für alle

Es scheint so viele Umgangsweisen mit dem klassischen geschriebenen Interview zu geben, wie es Onlinebuchhändler gibt. Eines aber haben sie fast alle gemeinsam: Die Journalisten, die das Interview geführt haben, stammen aus der literaturtest.de Redaktion. Selbst der Fragebogen von buecher.de ist in Zusammenarbeit mit literaturtest.de entstanden. Auftraggeber sind sowohl die Online-Buchhändler als auch die Verlage. Wenn literaturtest.de mehrere Anfragen für ein Interview desselben Autors bekommt, werden sie von verschiedenen Mitarbeitern geführt. Elizabeth George beispielsweise wurde zu ihren Roman „Wo kein Zeuge ist“ sowohl für Amazon.de als auch für Weltbild.de interviewt.

Doch auf welche Weise auch immer das Interview eingesetzt wird, es ist eine vom Aussterben bedrohte Spezies. Dabei hat es seiner Konkurrenz doch einiges voraus: Redundanzen, Stammeleien und abgebrochene Sätze können korrigiert werden, ein Text wirkt konzentrierter und lässt sich, wenn die Fragen optisch klar von den Antworten getrennt sind, vom Leser schnell auf der Suche nach besonders Interessantem überfliegen. Aber die Nutzer sind audiovisuelle Medien, also Action und bewegte Bilder längst gewohnt. Eva Großkinsky bestätigt diesen „klaren Trend in die Richtung Kurzfilm“. Ihr Unternehmen jedenfalls scheint für das vermeintliche Auslaufmodell Textinterview keinen Finger mehr krumm zu machen.