Sätze von sprachlicher Schönheit und Eleganz

Peter Roseis neuer Roman „Das große Töten“ ist dicht und bewegend

Von Winfried StanzickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Winfried Stanzick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Peter Rosei ist einer der im Ausland bekanntesten Schriftsteller Österreichs. Sein neuer Roman „Das große Töten“ stellt das wieder einmal unter Beweis. Es ist eine knappe, aber von großem Ausdrucksreichtum bestimmte Sprache, die den Leser von der ersten Seite an regelrecht gefangen nimmt. Wozu andere Romane gut und gern 500 Seiten benötigen, da gelingt es Rosei, ein ganzes Jahrhundert am Beispiel der Lebensgeschichten weniger Menschen auf knapp 150 Seiten zu fassen. Nicht nur das: er erzählt auch die Geschichte zweier Männer, die völlig unabhängig voneinander im Nachkriegsösterreich geboren werden und aufwachsen.

Auf der einen Seite ist da Paul, ein intelligenter und verschlossener Junge, der kaum Freunde hat, in der Schule hervorragende Leistungen zeigt und schlussendlich zum Priester ausgebildet wird. Doch der Außenseiter scheitert. Schon lange war er seinen Oberen als widerborstig und eigenartig aufgefallen, als ein Diebstahl im Priesterseminar zu seinem Ausschluss führt.

Rosei folgt Pauls Geschichte, einem Leben, das in jeder Minute weit hinter seinen Möglichkeiten bleibt und einfach nicht auf eine gute Bahn kommen will. Parallel dazu berichtet der Autor von einem anderen jungen Mann, Alexander, der auch nicht gerade erfolgreich im Leben ist. Als seine Frau Ulla Selbstmord begeht, ist er völlig allein und bekommt sein Leben nicht mehr in den Griff.

Die Lebensläufe beider Männer sind durch andere Menschen miteinander verschlungen. Da ist die jüdische Familie Kopetzky, mit der Rosei auf wenigen Seiten nur das Schicksal der Juden in Österreich vor und nach dem Holocaust dokumentiert, und da ist die Familie des Professors Wonisch, mit dessen umtriebiger Tochter Irma Alexander eine Zeit lang lebt.

Der Roman beginnt ruhig, und trotz knappen Stils benutzt Rosei manches Mal lange Sätze von einer sprachlicher Schönheit und Eleganz, das einem beim Lesen das Herz im Leibe hüpft. Sobald die lange Vorgeschichte ausgebreitet ist und die Querverbindungen zwischen den handelnden Personen hergestellt sind, nimmt der Roman eine ungeahnte Fahrt auf und wird überaus spannend, als sich Paul und Alexander zum ersten Mal begegnen.

Man spürt, dass nun die Geschichte zweier letztlich gescheiterter Lebensentwürfe einem Höhepunkt zutreibt. Eine Katastrophe bahnt sich an.

Rosei gelingt es mit großer sprachlicher und kompositorischer Eleganz, im Wechsel zwischen ländlichem und städtisch geprägtem Milieu ein Bild zu zeichnen von der subtilen, aber extrem wirkungsmächtigen Kraft, die ein Gesellschafts,- Ordnungs- und Wertesystem auf einzelne Menschen haben kann und auch hat. Er schärft den Blick für Außenseiter, hinter deren gesellschaftlicher Fassade oft ein Kessel voller unkontrollierbarer Emotionen brodelt, der schlussendlich ein Ventil braucht. Dann haben es die Überschlauen kommen sehen und die anderen, die Weggucker, von allem wieder einmal nichts gewusst.

Titelbild

Peter Rosei: Das große Töten. Roman.
Residenz Verlag, Salzburg 2009.
156 Seiten, 18,50 EUR.
ISBN-13: 9783701715305

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