Savoy Blues

Über ein gelungenes Krimi-Debüt von Friedrich von Dönhoff

Von Frauke SchlieckauRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frauke Schlieckau

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit „Savoy Blues“ hat Friedrich von Dönhoff wohl nicht nur den schönsten Krimititel des vergangen Jahres gefunden, sondern auch ein ordentliches Krimidebüt im Diogenes Verlag abgeliefert. Dönhoff, ein in Hamburg ansässiger Drehbuchautor, der nach seinem Politik und Geschichtsstudium verschiedene Biografien verfasste (unter anderem den Bestseller „Die Welt ist so, wie man sie sieht“), hat seine Mordgeschichte rund um den jungen, ehrgeizigen Kommissar Sebastian Fink in seiner Heimatstadt angesiedelt. Mit der Wahl des Handlungsortes hat Dönhoff seine Figuren somit in das traditionsreiche Setting einer durch und durch norddeutschen Hanse- und Hafenstadt gesetzt, deren Vergangenheit auch in der Gegenwart noch spürbar ist, was dem Thema des Romans durchaus entspricht.

Sebastian Fink, 34, Single, und seit kurzem Hamburgs jüngster Hauptkommissar, ist dabei, seinen ersten Fall zu lösen, den Mord an einem pensionierten Postbeamten. „Doch die Untersuchungen verästeln sich mit jedem Tag mehr, und Sebastian Fink sieht schon seine schlimmste Befürchtung bestätigt: dass er bereits an seiner ersten Aufgabe scheitern könnte.“ Bis der Hype um ein Cover des Louis Armstrong-Songs „Savoy Blues“ ihn auf die richtige Fährte lockt, und die reicht unmittelbar zurück bis in das nationalsozialistische Deutschland der 1930er-Jahre.

Mit einem Mordfall, der den Kommissar in die Zeit vor den Zweiten Weltkrieg zurückführt, ist Dönhoff nicht der erste Krimiautor, der sich mit der Frage von Schuld, Sühne, Recht und Gerechtigkeit im Zusammenhang mit dem „Dritten Reich“ beschäftigt. Dönhoff denkt hier aber einen Schritt beziehungsweise eine Generation weiter. Er lässt seine Zeitzeugen-Figuren nicht nur die unterschiedlichen Möglichkeiten verhandeln, mit den Ereignissen der Vergangenheit umzugehen, sondern greift auch die Frage danach auf, wie die Kinder, vor allem aber die Kindeskinder der „Täter“ und „Opfer“ des Nationalsozialistischen Regimes in zweiter und dritter Generation versuchen, die Vergehen oder respektive das Schweigen ihrer Vorfahren in der Gegenwart zu bewältigen. Eine Thematik, die schwer wiegt und die Dönhoff daher als Gegengewicht mit dem Kriminalfall gekonnt verknüpft. Leichter mutet dagegen das Swing-Motiv an: „Der Swing-Song von Louis Armstrong aus den dreißiger Jahren in der Coverversion von DJ Jack ist der Megahit des Jahres. Aus allen Cafés, aus allen Autos ist er zu hören. Auch dem jungen Hauptkommissar Sebastian Fink schwirrt dieses Lied im Kopf herum, während er sich an die Aufklärung seines ersten eigenen Falls macht“, die ihn auf die Spur der Hamburger Swing-Jugend der 1930er-Jahre und somit über den Umweg von mehreren Jahrzehnten zurück zu seinem toten Postboten führt.

Unaufgeregt bis sachlich, zurückgenommen, nüchtern und präzise, sprich genauso norddeutsch wie seine Heimatstadt, lässt uns Friedrich Dönhoff mit großer Beobachtungsgabe und in einer Sprache die nicht nur zur Kulisse und zur Hauptfigur, sondern auch zum Genre des Kriminalromans sehr gut passt, an den Ermittlungen des jungen Kommissars teilhaben.

Wer mit Savoy Blues“ anfängt und sich einmal eingelesen hat, wird bis zum Ende auf Sebastian Finks Spuren bleiben und mit Sicherheit auf einen Fortsetzungsroman warten. Immerhin gilt es auch nach Lösung des ersten Falls, was den smarten Kommissar betrifft, noch einige Geheimnisse zu lüften. Was verbirgt sich hinter Finks persönlicher Familientragödie? Wird er die Person, die für seine Entscheidung, zur Kriminalpolizei zu gehen, verantwortlich ist, noch aufspüren? Und ist da zwischen Fink und seiner WG-Mitbewohnerin Anna, um deren Sohn Leo er sich liebevoll kümmert, vielleicht doch mehr als nur Freundschaft?

Da Fink in seinem Wesen genauso zurückhaltend-norddeutsch ist wie der Roman, wird es sicherlich noch einige Mordfälle dauern, bis Friedrich Dönhoff den Leser mit allen Einzelheiten über seinen Kommissar versorgt hat. Und bis dahin warten wir erst einmal gespannt auf den nächsten Krimi von Friedrich Dönhoff.

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Friedrich Dönhoff: Savoy Blues. Ein Fall für Sebastian Fink.
Diogenes Verlag, Zürich 2008.
312 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783257861716

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