Die ohne das F-Wort (r)auskommen wollen – Das „Lesebuch 1“ des Stellwerck Verlags
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEs wird sich dieser Tage des öfteren gefragt, ob Literatur schon damit anfängt, dass ein Text Gegenstand öffentlicher Diskussionen wird. Das Internet macht diesbezüglich für so manchen Autor das Klinkenputzen bei Verlagen entbehrlich – man kann heute sein Tagebuch von aller Welt mitlesen lassen. Die öffentliche Diskussion darüber stellt sich allerdings in den meisten Fällen erst dann ein, wenn jemand anderes dafür einen Verlag gefunden hat.
Diesem Dilemma stellten Würzburger Studenten 2009 die Gründung eines eigenen „Publikumsverlags“ entgegen, der Ende des Jahres seine erste gedruckte Anthologie veröffentlichte. Der Stellwerck Verlag will nach eigenen Angaben Jungautoren einen Einstieg in den Literaturbetrieb ermöglichen. Dass dabei für die kürzlich erschienene Anthologie unter dem Titel „Signalstärke: hervorragend“ keine thematischen und formalen Vorgaben gemacht wurden, macht diese zu einem bemerkenswerten kleinen Spiegel der verzögerten Adoleszenz unserer Zeit. Es finden sich darin Versuche in allen drei großen literarischen Gattungen, manche sind eindrücklich über den Versuch hinaus gereift, manche nicht. Außerdem sind wolkige Bleistiftzeichnungen zwischen die Texte gestreut, die einen eigenen Beitrag darstellen.
Da sich fast allen Autoren Unvermögen und Scheitern als Sujet aufgedrängt zu haben scheint, erhält das erste Stellwerck-Lesebuch trotz konzeptioneller Themenvielfalt doch eine Kernaussage: Rebellion findet, oder vielmehr fand, woanders statt. Wo frühe Reife und späte Jugend zusammenfallen, bleibt nur die Kehrseite des Erwachsenseins: Die gesellschaftlichen Anforderungen werden zu jenen, die man an sich selbst richtet. Dabei bleibt die Reflexion auf sich selbst, welche das eigene Unvermögen zu Tage fördert und das Scheitern antizipiert, die scheinbar einzige Möglichkeit, sich noch zu positionieren. So betrachtet wirkt der Titel des Buches fast wie Wunschdenken.
M. H.
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