„Nichts strahlt heller als Bacons Finsternis“

Wilfried Steiners gelungener Liebes-, Kunst- und Kriminalroman „Bacons Finsternis“

Von Anton Philipp KnittelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anton Philipp Knittel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„,Wenn wir nach Hause kommen‘, sagte Isabel, ‚müssen wir uns trennen‘“. Eine derartige Ankündigung sitzt, besonders wenn sie quasi zum Dessert in einer kretischen Taverne zum Schluss eines zweiwöchigen Griechenland-Urlaubs serviert wird. Arthur Valentin, ein ebenso träumerischer wie wenig geschäftstüchtiger Antiquar des „Maldoror“ in der Wiener Margaretenstraße, der seine kostbaren Erstausgaben lieber zu Hause einschließt als sie zu verkaufen, reagiert nach 15-jähriger Ehe mit Isabel, einer Filmwissenschaftlerin mit Spezialgebiet „Fantastik, Horror, Science-Fiction“ entsprechend perplex. Dem ungläubigen Staunen folgt der Ouzo und mittelmäßiger griechischer Wein, begleitet vom tavernenüblichen „Pärchenbeschallungsprogramm“ mit Titeln wie „Owner of a Lonely Hart“ oder „I Only Have Eyes for You“. Den restlichen Teil des letzten Abends verbringt Arthur dann mit Ouzo- und Wein-Resten auf dem Küchenboden neben einer Unzahl erlegter Kakerlaken und träumt sich in den „kretischen Morgenhimmel“.

Zurück in Wien, folgt Arthur Valentin diesem „Programm“ aus Alkohol und Tagträumereien zunächst mehr oder weniger konsequent. Seinen Schmerz kultivierend, vernachlässigt er das Antiquariat wochenlang, lebt überwiegend von Fastfood, „Budweiser in Kisten“ und Cognac. Seine weit pragmatischere Geschäftspartnerin, die Kunsthistorikerin und ehemalige Malerin Maia Schütz, schmeißt in dieser Zeit das „Maldoror“.

Zufällig besucht der leidende Verlassene zu Beginn des zweiten Romanteils an einem „eiskalten Jännernachmittag“ eine Ausstellung des irischen Malers Francis Bacon im Wiener Kunsthistorischen Museum. Ab diesem Moment ist es um Valentin geschehen. Der Antiquar erfährt den gesuchten Trost aus der „Trostlosigkeit dieser Bilder.“ Oder, wie Maia, die ihrem Kompagnon eine Fülle von Bildbänden und Informationen über den 1992 verstorbenen Maler zukommen lässt, zu verstehen gibt: „Nichts strahlt heller, als Bacons Finsternis“.

Fasziniert von Bacons „Triptych May-June 1973“, das das Sterben seines Freundes und Geliebtem George Dyer verarbeitet, und den „Three Studies for Head of Isabel Rawsthrone“ wird Valentin von nun an immer mehr zum Bacon-Experten, der Roman in diesem zweiten Teil immer mehr zu einer faszinierenden Künstlerbiografie mit packenden Bildbeschreibungen. Valentin, beinahe besessen von Bacon, reist nach Basel, um die Fondation Beyeler zu besuchen, nach Berlin und schließlich nach London in die „Tate Modern“, wo er erstmals auch die Spuren der Freundschaft Bacons zum französischen Maler Lucian Freud, einem Enkel des Begründers der Psychoanalyse, in den Werken der beiden Künstler verewigt sieht. Zufällig stößt er dort auch auf seine Ex-Frau, am Arm eines Kunden des „Maldoror“, der „seinen linken Arm präsentierte mit dem Stolz eines Falkners, der ein besonders edles Tier geködert hat.“ Unbemerkt von dem „Gelächter, Gegurre“ der beiden schnappt Valentin die Gesprächsfetzen „an sich bringen“ und „aber wenn wir es schaffen“ auf. Damit ist Valentin vollends ‚elektrisiert‘, glaubt er doch einem geplanten Kunstraub auf der Spur zu sein.

Steiners Liebes- und Künstlerroman wird von nun an zum Krimi über zwielichtige Sammler und dubiose Kunsterwerbspraktiken. Sogar ein ehemaliger Inspector von Scotland Yard ist involviert, wenn Arthur Valentin und seine Assistentin Maia in Wien und in Hamburg die Fährten aufnehmen. Der überraschende Ausgang sei hier nicht verraten. Ebensowenig der Clou des schmaleren letzten Teils, der den Titel „Ein Anfang. Juli 2004-Oktober 2005“ trägt. Jedenfalls hat der Leser an diesem „Anfang“ am Ende ein Buch gelesen, das in der Finsternis nicht zuletzt dank manch ironischer Brechung und grotesker Überzeichnung und dank der gekonnten Verbindung von Motiven der Kunst-, Film- und Popgeschichte in der Tat hell strahlt.

Sieben Jahre nach seinem raffinierten Debüt „Der Weg nach Xanadu“ mit dem englischem Romantiker William Blake als Hauptperson legt Steiner, künstlerischer Leiter am Linzer Posthof, nun einen dreifach gelungenen Roman vor. „Bacons Finsternis“ überzeugt in seiner Verschräkung als Liebes-, Künstler- und Kriminalroman sowohl sprachlich-stilistisch als auch inhaltlich-motivlich gleichermaßen. Entstanden ist ein Text, der in seinen Bildbeschreibungen unterhaltend belehrt und ohne schulmeisterliche Attitüden auskommt.

Titelbild

Wilfried Steiner: Bacons Finsternis. Roman.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2010.
288 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783552061446

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