Deutschstunde
Wolfgang Krischke erzählt die Geschichte der deutschen Sprache
Von Josef Bordat
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIn der Beck’schen Reihe erschien 2009 der Band „Was heißt hier Deutsch? Kleine Geschichte der deutschen Sprache“ von Wolfgang Krischke. Mit neuem Einband wurde die Originalausgabe im August 2010 in unveränderter Textfassung erneut aufgelegt.
Der Germanist und Journalist Krischke verbindet in diesem Band die wissenschaftliche Präzision des Germanisten mit dem Bestreben einer möglichst einfachen Darstellung, die den guten Journalisten kennzeichnet. Sich des Themas Sprachgeschichte überhaupt auf populärwissenschaftliche Weise zu nähern, ist eine Herausforderung, die Krischke überaus gut meistert. Launig und anekdotenhaft erzählt er die komplizierte Geschichte der deutschen Sprache, die wie in keiner anderen europäischen Nation die Ausprägung einer gemeinsamen Identität bedingte. Die Deutschen leben vom Deutschen, das Volk ist seine Sprache („deutsch“ heißt „vom Volk sein“).
Die wichtigen Köpfe dieses eigentümlichen deutschen Bewusstseins werden vorgestellt: Otfrid von Weißenburg, der „Stammvater der deutschen Literatur“, der Benediktinermönch Notker („der Deutsche“), Eike von Repkow („Sachsenspiegel“), die mittelalterlichen Dichter Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide und Hartmann von Aue, Wolfgang Ratke, der Pionier des Deutschunterrichts, natürlich Martin Luther, selbstredend auch die Aufklärungsphilosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, Christian Thomasius, Christian Wolff und Johann Christoph Gottsched, für die die deutsche Sprache zugleich ein verbessertes Werkzeug des Denkens und der allgemeinen Anleitung zum Denken darstellte (Martin Heidegger sollte später sagen, dass man nur auf Griechisch und auf Deutsch anständig philosophieren könne), schließlich die Grammatiker, Orthografen und Wörterbuch-Verfasser Justus Georg Schottel, Johann Christoph Adelung, Jacob und Wilhelm Grimm und Konrad Duden. Einzig Meister Eckharts „Deutsche Predigten“, ebenfalls eine Pionierleistung auf dem Gebiet der Kultivierung des Deutschen, leisteten sie doch die erste volkssprachliche Glaubensverkündigung, finden leider keine Erwähnung, der Einfluss des Dominikaners aus dem 13. Jahrhundert (der unter anderem das Wort „Einfluss“ entwickelte) wird schlicht übersehen.
Den trotz (oder wegen) diverser Reformschritte nicht ganz beizukommenden Fallstricken der deutschen Rechtschreibung widmet sich der Autor in einem eigenen Kapitel, um schließlich in der digitalisierten „Sprechschreibe“, die „zum orthographischen Imperium von Duden & Co. nur noch sehr lose Beziehungen unterhält“, da in ihr vielmehr das phonetische Prinzip des Mittelalters gelte („infos kannsuham“), eine Ausdrucksform zu identifizieren, die „viel gravierende Folgen haben könnte als jede Orthographiereform“. Wie wahr.
Zur aktuellen Sprachentwicklung merkt Krischke außerdem an, dass der Einfluss des Fremden nicht per se schlecht sei, doch die fremdsprachlichen Vokabeln nicht „verschlungen“, sondern „verdaut“ werden müssten. Anhand von lächerlichen Denglisch-Floskeln weist er nach, dass ersteres erfolgt sei, letzteres aber noch ausstehe. Zudem sei Fremdwort nicht gleich Fremdwort: Auf „Mobilität“ mag kaum jemand verzichten, auf das Mobility Center der Deutschen Bahn hingegen schon, solange sich dahinter der gleiche Schalter und die gleiche Warteschlange verbirgt wie vor zwanzig Jahren.
Das Buch „Was heißt hier Deutsch“ bietet allerhand Gelehriges zu unserer Sprache in unterhaltsamer Form – Deutschunterricht, der gefällt. Krischke liefert damit eines der besten populärwissenschaftlichen Beiträge zur deutschen Sprachgeschichte. Warum allerdings der Preis gegenüber der 2009er Auflage mehr als verdoppelt werden musste (statt 6 Euro kostet das Buch jetzt 12,95 Euro), erschließt sich nicht unbedingt. Soviel nicer ist das Cover jetzt auch nicht, griiins!
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