Seriöse Grundlageninformation

Auch die zweite Auflage der „Dramen- und Theaterdidaktik“ für den Deutschunterricht und die außerschulische Theaterarbeit bietet eine profunde Einführung ins dramatische Denken, Handeln und Entscheiden

Von Torsten MergenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Mergen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nach zwei Jahren liegt eine neue, verbesserte Auflage des wichtigen Einführungswerkes in die „Dramen- und Theaterdidaktik“ der Germanisten Rudolf Denk und Thomas Möbius vor. Sie ist wiederum in der renommierten Reihe „Grundlagen der Germanistik“ des Berliner Erich-Schmidt-Verlages erschienen, welche von Christine Lubkoll, Ulrich Schmitz, Martina Wagner-Egelhaaf und Klaus-Peter Wegera herausgegeben wird. Dem Charakter einer Einführung geschuldet ist das Vorgehen der Autoren: Sie referieren in nachvollziehbaren Schritten das nur in geringen Maßen systematisch erschlossene didaktische Terrain, das in einigen Bundesländern sogar als eigenständiges Unterrichtsfach mit so unterschiedlichen Bezeichnungen wie „Darstellendes Spiel“ oder „Szenisches Interpretieren“ firmiert.

Um das vage Forschungs- und Arbeitsfeld der Drama- und Theaterdidaktik zu konkretisieren, halten der Freiburger Literaturdidaktiker Denk und sein Heidelberger Kollege Möbius an ihrer Konzeption der ersten Auflage fest. Lediglich kleinere Änderungen im Layout der Abbildungen, Aktualisierungen des Literaturverzeichnisses, inhaltliche Präzisierungen sowie Berichtigungen von sprachlich-formalen Mängeln prägen die Neubearbeitung. Die Intention besteht fort, Impulse für die Arbeit mit dramatischen Texten in Schule und Unterricht sowie der Jugendarbeit zu geben.

Den Ausgangspunkt der theaterdidaktischen Überlegungen verkörpert eine neue Basiskompetenz, die für den Literaturunterricht postuliert wird. Darunter subsumieren sie, dass die Lernenden mit der Hilfe eines Bündels an kognitiven wie produktiven Fähigkeiten, die um Inszenierungen und dramaturgische Konzeptionen kreisen, zu sogenannten Schau-Meistern gebildet werden sollen.

Die in sieben Kapitel gegliederte und mit einem Glossar sowie einem umfangreichen durch ein Online-Angebot komplettierten Literaturverzeichnis ausgestattete Darstellung annonciert bereits einführend, dass Lehrkräfte, Lehrpersonen an Hochschulen, Lehrerbildner, Schüler und Studierende als Adressatenkreis angesprochen werden sollen. Dafür bietet sie Informationen zur Dramen- und Theatergeschichte, zur Dramen- und Theateranalyse, ferner zu grundlegenden Modellen der Dramaturgie und etablierten dramendidaktischen Konzepten. Ferner werde – nach Angaben der Verfasser – erstmals eine „werkstattorientierte Dramendidaktik“ vorgestellt, die der theoretischen Beschäftigung eine praktische Umsetzung zur Seite stelle.

Unter der Überschrift „Grundlegende Strukturen“ werden Fakten und Erkenntnisse über die Geschichte des Theaters und die Entwicklung des dramatischen Genres referiert, beispielsweise die berühmte aristotelische Bestimmung der Tragödie oder die diversen Aufbauweisen der Theaterbühnen, beginnend mit der griechischen, über die römische, die kubische Simultanbühne in Deutschland, das sogenannte Stationen-Theater in England oder die Shakespeare-Bühne, endend mit dem Regietheater im 20. Jahrhundert. Dabei bemühen sie sich um die Verbindung einer poetologisch orientierten Dramengeschichte mit einem „vornehmlich rezeptionsbezogenen Abriss der Theatergeschichte“.

Wichtig für die Geschichte der Dramendidaktik ist die Musterung klassischer Konzepte der Dramenvermittlung, wie sie das dritte Kapitel liefert. In diesem Zusammenhang konstatieren die Autoren einen Paradigmenwechsel in der Nachkriegszeit, der zu einer methodischen Vielfalt im Umgang mit Dramen im Unterricht und in der Hochschullehre geführt habe. Erst in den letzten Jahren und Jahrzehnten werde allerdings die für jedes Drama typische „mentale Inszenierung“ welche auf theaterpädagogischen und handlungsorientierten Ansätzen basiere, ernst genommen.

Im vierten Kapitel stoßen Denk und Möbius zum Kern ihres Anliegens vor – sie analysieren das Dramatische und Theatralische in didaktischer Absicht und kommen nach Untersuchung diverser Dramen zu dem Ergebnis, dass dramatische und theatralische Zeichen als miteinander verbunden zu denken seien.

Das fünfte Kapitel referiert diverse Dramaturgiemodelle und befragt diese auf ihren Erkenntniswert für die Arbeit in Schule und Universität. Nach Musterung vielfältiger fachwissenschaftlicher Konzeptionen und gegenwärtiger dramatischer Texten bilanzieren die Autoren, dass sich die zeitgenössische Dramatik noch einen Platz im Deutschunterricht „erobern“ müsse.

Konkrete Anwendungsbeispiele für die neukonzipierte Dramendidaktik enthält das vorletzte Kapitel mit der Überschrift „Theaterwerkstatt“. Diverse anregende Vermittlungskonzepte reflektieren das dargestellte theoretische Gerüst aus unterschiedlichen Perspektiven wie Figuren, Regie, Theatermacher und Regisseur sowie Schauspielertheater. An zahlreichen dramatischen Textbeispielen (vorrangig zu den Werken „Medea“ und „Torquato Tasso“), zeigen die Autoren Methoden, um bewusst innere und äußere Haltungen sowie Handlungsweisen im Kontext des Theaters zu erkennen.

Instruktiv sind die Vorschläge des siebten Kapitels zu der Frage, wie Dramaturgie-Kompetenz im Schulalltag zu bewerten sei. Der Vorschlag der Autoren lässt sich verkürzt als kriteriale Bezugsnormorientierung charakterisieren. Sie postulieren in diesem Kontext, Kriterienkataloge als Bewertungsmodi zu verwenden, welche auf kreativ-produktive Verfahrensweisen, Formen des gemeinsamen Überarbeitens, des verstehensorientierten Gesprächs und des Einsatzes von Portfolios ausgerichtet sein sollten.

Resümierend betrachtet bleibt die Neubearbeitung sowohl der Konzeption als auch der Ausrichtung der ersten Auflage in toto treu: Die Darstellung der beiden Literaturdidaktiker folgt dem zentralen Anliegen, eine handliche Einführung in das noch nicht in Gänze erschlossene Forschungsfeld der Dramen- und Theaterdidaktik zu liefern und vor allem angehenden Lehrkräfte seriöse Grundlageninformationen samt methodischen Impulsen zu bieten.

Titelbild

Rudolf Denk / Thomas Möbius: Dramen- und Theaterdidaktik. Eine Einführung. 2., neu bearbeitete Auflage.
Erich Schmidt Verlag, Berlin 2010.
240 Seiten, 17,80 EUR.
ISBN-13: 9783503122493

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch