Die Helden des „anderen Amerika“

Klaus Bittermann porträtiert in „The Crazy Never Die“ sechs amerikanische Rebellen der Pop-Kultur

Von Jutta LadwigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jutta Ladwig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jede Zeit hat ihre Helden. Menschen, die besonderes geleistet haben und zu denen man bewundernd aufblickt. Sie erhalten Auszeichnungen, werden zu Talkshows eingeladen, interviewt und porträtiert. Und manchmal wird solchen Helden ein Denkmal gesetzt. Doch oft sind es gerade die Anti-Helden oder Rebellen, die uns noch interessanter erscheinen, weil sie eben eins tun: rebellieren.

Klaus Bittermann hat für seinen Essayband „The Crazy Never Die“ sechs Querdenker der amerikanischen Pop-Kultur ausgewählt und ihnen ein literarisches Denkmal gesetzt. Bis auf den Texaner Kinky Friedman sind sie bereits alle tot, verstorben unter Umständen wie Drogen- oder Medikamentensucht, durch Krebs oder durch Selbstmord. Und doch sind sie unsterblich geworden.

Eine Liebeserklärung an „romantische Außenseiter“

Bittermanns Wahl fiel auf Comedian Lenny Bruce, Schauspieler Robert Mitchum, Kultautor Hunter S. Thompson, Polit- und Sozialaktivist Abbie Hoffman, Rockjournalist Lester Bangs und Kinky Friedman, seines Zeichens Politiker und Schriftsteller. Doch warum gerade diese Individuen, und nicht etwa Jack Kerouac, Charles Bukowski oder Truman Capote, die ebenfalls ihre Spuren in der populären Kultur hinterlassen haben? Aus reiner Willkür und persönlicher Vorliebe, wie Bittermann in seiner Vorbemerkung zugibt. „wobei den sechs ,romantischen Außenseitern‘, denen ich hier jeweils eine Liebeserklärung gewidmet habe, durchaus eine besondere Bedeutung zukommt, und zwar im Film, in der Musik, in der Literatur, in der Rebellion, im Journalismus und in der Stand-up-Comedy“.

Wider dem Spießbürgertum

Sie gehörten zum Anti-Establishment Amerikas, das keine Gelegenheit auslässt, dem Normalo-Spießbürgertum gehörig vors Schienbein zu treten. So schreckte Stand-up-Comedian Lenny Bruce nicht davor zurück, Wörter wie „Fuck“, „Nigger“ oder „Schmock“ zu verwenden oder er riss Witze über Migranten und Juden, die unter die Gürtellinie gingen. Lester Bangs gab dem Rock-Journalismus nicht nur ein Gesicht, seine Texte waren wegweisend für dieses Genre. Unerbittlich kritisierte er die neuesten Scheiben von Rockstars und Pop-Sternchen, zeigte keinen Respekt für Bands wie Deep Purple oder Led Zeppelin und weigerte sich strikt, diesen Supergroups in seinen Reviews für den „Rolling Stone“ und das „Creem“-Magazin „die Eier zu kraulen“. Und Autor Hunter S. Thompson verfasste mit „Fear and Loathing in Las Vegas“ einen Kultroman, in dem er in der berühmten Wave Speech den Zeitgeist der Hippie-Ära wiedergibt. Außerdem begründete Thompson den Gonzo-Journalismus, eine Form des besonders echten Journalismus, der auf einer Idee von William Faulkner basiert.

Die Rebellen und ihre Zeit

Klaus Bittermann verzichtet in seinen Porträts auf literarische Ausschmückungen oder Formen und erzählt in frischer Sprache von seinen Protagonisten und ihrer Zeit. Nicht nur die individuellen Biografien werden dargelegt. Der Autor setzt diese in Bezug zu den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen Amerikas, auf die diese Querdenker reagierten und gegen die sie rebellierten. So wird ihr Handeln greifbar und nachvollziehbar.

Es sind sechs faszinierende Psychogramme von Menschen, die sich die Freiheit nahmen, frei zu sein. „Sie verkörperten Widerstandsgeist, Provokation und Dissidenz, und das alles auf einem extrem hohen Drogenniveau. Sie waren die Jungs, die die normalen Bürger Amerikas, die brav Nixon, Reagan und Bush wählten, am liebsten in irgendein Dritteweltland abgeschoben hätten, am besten zu den Vietcong, um sie für immer los zu sein, weil sie alles repräsentierten, was inakzeptabel war.“ Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, haben sie ihre Spuren in der amerikanischen Pop-Kultur hinterlassen. Es war nicht zu ihrem – und zu unserem – Nachteil.

Titelbild

Klaus Bittermann: The Crazy Never Die. Amerikanische Rebellen in der populären Kultur.
edition TIAMAT, Berlin 2011.
271 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783893201532

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch