Die Banken sind schuld, wer sonst?

Petros Markaris nimmt sich in seinem Krimi „Faule Kredite“ der Schuldenkrise Griechenlands an, und packt noch ein paar Morde obendrauf

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Wirtschaftsleben ist der wahre Krimi, nur merkt es keiner so wirklich, und jenseits der Empörung über Schuldenländer, Bankerprämien und Falschbuchungen ist das Verständnis für das, was in den abstrakten Sphären der Finanzmärkte geschieht, wohl eher randständig. Das hat einen kaum für Sachanalysen bekannten Autor wie Botho Strauß jüngst noch zu der Forderung verleitet, dem normalen Volk die Sache, nämlich die Ökonomie, doch selbst nahe zu bringen. Dem kann man nicht widersprechen, aber warum Strauß anschließend die Reaktionen auf die Reaktorhavarie in Fukushima bemängeln musste, wird aus seinem Vorlauf nicht wirklich nachvollziehbar.

Wie sehr es in der letzten Zeit ans Eingemachte geht, lässt sich auch daran erkennen, dass sich Feuilletonisten langatmig darüber verbreiten, dass es Politiker gibt, die einräumen, weder die Ursachen für die jüngsten Probleme zu verstehen noch die Instrumente, mit denen ihnen begegnet werden soll. Wenn schon renommierte Politiker überfordert sind, dann haben auch wir jedes Recht dazu, oder?

Vielleicht wenden wir uns deshalb, was Ökonomisches angeht, doch besser an andere Autoren, die in anderen Krisenregionen der Welt beheimatet sind, Griechenland zum Beispiel. Der Grieche Petros Markaris hat sich als Autor eben nicht nur von Kriminalromanen einen Namen gemacht. Seinen Helden Kostas Charitos begleitet er bereits durch mehrere Folgen. In diesem Fall nun schlägt nicht nur die Finanzkrise grausam zu, sondern auch noch ein unbekannter Mörder.

Der ehemalige Chef einer griechischen Bank wird enthauptet, den Manager eines Hedgefonds trifft kurze Zeit später dasselbe Schicksal, wie auch ein niederländischer Analyst, der im Auftrag einer Ratingagentur Griechenland bereist. Auch der Chef eines Inkassounternehmens muss schließlich daran glauben. Köpfe rollen hier buchstäblich, und der ermittelnde Kommissar tappt einigermaßen im Dunkeln, was vor allem daran liegt, dass es keine verwertbaren Spuren gibt.

Die Konkurrenz mit dem Kollegen von der Terrorfahndung kommt noch hinzu. Denn die Rätselhaftigkeit der Morde und der Charakter der Opferprofile macht es immerhin denkbar, dass hier eine zwar skurril vorgehende aber immerhin doch politisch motivierte Terrorzelle am Werk ist.

Die Szenerie wird noch dadurch schwieriger, dass nicht nur diverse ausländische Akteure den ermittelnden Griechen ins Handwerk pfuschen – englische Kriminalbeamte, niederländische Botschafter zum Beispiel –, hinzu kommen noch zwei groß angelegte Plakatieraktionen, in denen zum Boykott der griechischen Banken aufgerufen wird.

Immerhin wird ihnen und ihren aggressiven Vermarktungsbemühungen eine Mitschuld an der Finanzmisere und der Verschuldung der Griechen angelastet. Wer Kreditkarten ungefragt verschickt und Kredite ohne großes Nachfragen vergibt, muss sich nicht wundern, wenn die Leute das auch in Anspruch und es andererseits mit dem Rückzahlen von Schulden nicht so genau nehmen. Ist halt so wie bei Dopern.

Die Banken jedenfalls reagieren nervös auf die Aktionen, deren Urheber niemand kennt. Dass ein Zusammenhang mit dem Morden bestehen könnte, ist für Kommissar Charitos allerdings naheliegend. Vielleicht doch Terroristen? Aber in Markaris Roman sollen nicht die Terrorexperten den Fall aufklären, sondern der biedere kleine Kommissar, der ebenso den Wegfall der zusätzlichen Monatsgehälter, den Anstieg des Renteneinstiegsalters und die Senkung der Rente beklagt wie seine Kollegen und Mitbürger.

Wem Gelde nachgeworfen wurde, tut sich schwer damit, künftig darauf zu verzichten, wenigstens sobald das Ganze nicht mehr finanzierbar ist, fällt es auf die Nutznießer zurück. Das lässt naheliegend nach denjenigen fragen, die schuld an der Misere sind. Und dass es immer andere sein sollen, ist leider eine sehr sehr menschliche Neigung. Hier ist denn auch das Motiv für die Morde zu finden, mit denen anscheinend Repräsentanten des Finanzsektors und damit der Finanzsektor selbst getroffen werden sollen.

Nun muss man mit Bankern und Banken nicht sympathisieren. Zumal dann, wenn man Geld braucht, ist ihre Hilfe zwar gewünscht, und zu viel soll auch ein Geld gebender Banker nicht von einem wissen. Aber die Arroganz und Geldgier, die gerade im großen Geldgeschäft beheimatet sein sollen, sind als Zielscheibe dann doch allzu dankbar.

Der Analyst, der mit wenigen Sätzen den Griechen der Leviten liest? Weg mit ihm. Der Bankier, der Geld schnell verleiht, aber hartherzig wird, wenn die Rückzahler allzu säumig wird? Kein wirklich belastbares Motiv, zumal dann, wenn die Fälle wie hier geschehen auch noch mit dem Sportdoping verbunden werden.

So sympathisch es auch ist, dass sich Charitos um ein Verständnis dessen bemüht, was Banken so treiben, so wenig trägt die Ökonomie des Romans. Bis hin zu seiner Erzählweise, die im Ganzen doch arg behäbig ist.

Titelbild

Petros Markaris: Faule Kredite. Ein Fall für Kostas Charitos.
Übersetzt aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger.
Diogenes Verlag, Zürich 2011.
400 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-13: 9783257067934

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