Politische Aufklärung und eine zusammengeschusterte Story

Josh Bazell enttäuscht mit seinem zweiten Roman um den ehemaligen Mafiakiller Peter Brown: „Einmal durch die Hölle und zurück“

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist schon traurig, wie schnell ein neuer Stil zur Masche werden kann. Und damit sehr, sehr langweilig. Und wie schnell ein Autor stürzen kann. Zu beobachten ist das jetzt bei Josh Bazell. Letztes Jahr startete er in Deutschland fulminant mit seinem Roman „Schneller als der Tod“. Held ist Pietro Brnwa, ein ehemaliger Mafiakiller, der als Peter Brown im Zeugenschutzprogramm der USA verschwunden ist. Als studierter Mediziner arbeitet er im Manhattan Catholic Krankenhaus in New York und wird dort von einem Patienten erkannt. Nicht nur der einfallsreiche Plot des Romans war wunderbar, sondern auch der flotte, witzige und manchmal bis ins Zynische reichende Ton.

In vielen Fußnoten erklärt der Ich-Erzähler Pietro medizinische Sachverhalte wie Tibia und Fibula oder den Unterschied zwischen dem geflügelten Stab mit zwei Schlangen (steht für Hermes und damit für den Handel) und dem ungeflügelten Stab mit nur einer Schlange (steht für Äskulap: „Hätten Sie’s gewusst?“ fragt er frech). Oder warum er sich Peter Brown nennt (nach dem Song „The Ballad of John and Yoko“, in dem die Zeilen vorkommen: „Peter Brown called to say / You can make it O. K. / You can get married in Gibraltar near Spain.“ Denn Peter Brown war der „am längsten für die Band aktive Roadie der Beatles“.)

Bazells zweiter Roman dagegen enttäuscht. Und zwar in fast allem. Wieder ist Peter Brown alias Pietro Brnwa alias diesmal Dr. Lionel Azimuth der Held, der sich auf einem Kreuzfahrtschiff als stellvertretender Bordarzt versteckt hat. Er wird vom vierzehntreichsten Mann der USA, Rec Bill, als Bodyguard für die natürlich sehr attraktive Paläontologin Violet Hurst für eine Expedition ins Hinterland Minnesotas engagiert. Hurst soll herausbekommen, ob es das Seemonster „William“, das angeblich im White Lake haust und ab und zu Menschen verspeist, wirklich gibt oder ob es nur ein Schwindel ist.

Und dann geht es los. Und zwar richtig konfus: Die ehemalige US-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin kommt mit ihren Bodyguards eingeflogen, als Schiedsrichterin, Mafiakiller machen wieder einmal Jagd auf Peter, es gibt mehrere Tote, die unterschiedlichsten Behörden mischen sich ein und ein paar Drogendealer. Und es gibt haufenweise politische Aufklärung über die stumpfsinnigen Theorien der Kreationisten in Amerika, über die Profitgier der Menschen, die Ausbeutung der Erde und den Klimawandel.

Dumm nur: Was bei Carl Hiaasen in seinen Floridaromanen wunderbar funktioniert, weil Hiaasen Witz und Sarkasmus genug hat und seine Aufklärungswut in eine funktionierende Story einbindet, wirkt bei Bazell nur noch wie eine College-Schulstunde, zusammengeschustert und wie mit Copy & Paste in eine reichlich abstruse und immer wieder holpernde und sich windende Geschichte hineinkopiert. Inklusive Liebesgeschichte zwischen Peter und Violet – was man auch schon bei ihrem ersten Treffen ahnte.

Die Stringenz der Story bleibt dabei leider fast in Gänze auf der Strecke, die Wendungen, die sie nimmt, sind ganz und gar nicht vermittelt und auch nicht vermittelbar, und selbst die Lösungen der verschiedenen Probleme kommen wie ein Diavolo ex machina, dass man nur noch kopfschüttelnd über so ein wirres Buch zurückbleibt. Und auch stilistisch liegt der Roman weit unter dem Niveau seines Vorgängers, und zwar ab der vierten Zeile der ersten Seite, ab dem geschmacklosen und schlechten Vergleich „Ihre Muschi öffnete sich wie eine Faust.“ Schade um einen Autor, der eigentlich Witz und politische Schärfe genug hat.

Titelbild

Josh Bazell: Einmal durch die Hölle und zurück. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel und Malte Krutzsch.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011.
409 Seiten, 18,95 EUR.
ISBN-13: 9783100039132

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