Unterhaltsam, aber harmlos

Peter L. Bergens Enthüllungsgeschichte „Die Jagd nach Osama Bin Laden“ beschränkt sich auf Rekonstruktion und verzichtet auf kritische Reflexion

Von Pia-Johanna SchweizerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Pia-Johanna Schweizer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Peter L. Bergen ist einer der wenigen US-amerikanischen Journalisten, die Osama Bin Laden persönlich interviewt haben. Diesen Umstand werden Autor und Verlag nicht müde zu betonen, er soll wohl einen hinreichenden Absatz der Bücher sichern. Dieser Umstand alleine kann allerdings keine Garantie für ein qualitativ hochwertiges Sachbuch sein.

Im Gegensatz zur französischen Forschung sieht Bergen Osama Bin Laden als alleinigen ideologischen Führer und Kopf von Al Qaida. In Europa wird dagegen die intellektuelle Führerschaft Al Qaidas durch den Ägypter al Zawahiri betont und Bin Laden auf das Aushängeschild und den Finanzier des Terrors reduziert. Zudem verschweigt Bergen die zwischen Zawahiri und Bin Laden herrschende ideologische Dichotomie. Während Bin Laden den äußeren Feind (USA und Israel) angriff, versuchte Zawahiri den inneren Feind (muslimische, prowestliche Regimes) zu besiegen. Die Ereignisse des arabischen Frühlings haben Zawahiris Sichtweise obsolet gemacht. Nur in Krisenländern wie dem Jemen und Sudan spielen Splittergruppen von Al Qaida noch eine wichtige Rolle.

Bergens Buch „Die Jagd nach Osama Bin Laden“ zeichnet minutiös nach, wie die US-amerikanischen Geheimdienste ein Jahrzehnt lang auf der fieberhaften Suche nach dem meistgesuchten Terroristen der Welt waren. Bereits 2001 – kurz nach den verheerenden Anschlägen von New York und Washington – wäre es möglich gewesen, Bin Laden in Tora Bora zu schnappen. Doch das Zögern der Bush-Administration, weitere amerikanische Spezialtruppen zu entsenden, ermöglichte dem Terror-Fürsten die Flucht. In den folgenden Jahren intensivierten die USA die Fahndung nach Bin Laden – ohne Erfolg. Der US-Sicherheitsapparat wurde kostenintensiv aufgebaut. Obwohl modernste Technik an der Menschenjagd beteiligt war, wurde kein Resultat erzielt. Gleichzeitig befand sich der Stern der Al Qaida im Sinken. Al Qaida verlor bei Unterstützern an Beliebtheit, da Attentate nach dem 09.11.2001 häufig muslimische Todesopfer zeitigten.

Der Hauptteil des Buchs besteht aus der präzisen Rekonstruktion der Eliminierung Bin Ladens. Pakistan wurde nicht in die Pläne zur Tötung Bin Ladens eingeweiht, da die US-Regierung dort ein Leck befürchtete. Mehrere Szenarien wurden dem US-Präsidenten Barack Obama vorgelegt, welcher für einen Angriff der Navy-Seals (und gegen einen Drohnenangriff) votierte. Bin Laden leistete bei der Kommandoaktion der Navy-Seals keinen nennenswerten Widerstand, wurde aber durch gezielte Schüsse hingerichtet. Die Eliminierung des Staatsfeinds Nummer Eins rechtfertigt sich nach Bergen aus der Schwere seiner Terrortaten und der Befürchtung, dass Bin Laden einen Prozess gegen ihn als politischen Schauplatz instrumentalisiert hätte sowie der Angst, dass zur Freipressung Bin Ladens Terroranschläge gegen US-Amerikaner stattgefunden hätten.

Insgesamt ist Bergens Buch unterhaltsam geschrieben und bietet dem Leser eine Fülle an Fakten und Insiderwissen um die Tötung Bin Ladens. Allerdings lässt der Autor dabei die weitergehende kritische Reflexion dieser Ereignisse vermissen, was das Werk eher in die Nähe eines umfangreichen, gut recherchierten Zeitungsartikels rückt.

Titelbild

Peter L. Bergen: Die Jagd auf Osama Bin Laden. Eine Enthüllungsgeschichte.
Übersetzt aus dem Englischen von Helmut Dierlamm, Norbert Juraschitz, Thomas Pfeiffer, Heike Schlatterer, Karin Schuler.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2012.
370 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783421045515

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