Man kann die Sorgen nicht einfach per Vorsorge hinters Licht führen

Tilman Rammstedts Roman „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Hurra!, möchte man ausrufen, und das aus mindestens zweierlei Gründen. Grund eins: Tilman Rammstedt hat nach „Der Kaiser von China“ aus dem Jahr 2008 endlich wieder einen Roman geschrieben (und veröffentlicht). Grund zwei: Dieser Roman ist eine Wucht! „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“ heißt des Tausendsassas neuester Wurf, in dem es tatsächlich um den Bankberater eines Kunden mit Namen Tilman Rammstedt geht.

Allerdings hat der Berater den Fokus seines Tuns schon länger nicht mehr auf der effektiven Vermittlung von Sparanlagen, Aktien und anderen Bankprodukten, nein, vielmehr hat ihn seine Tagträumerei und seine Schwermut in eine fast schon metaphysische Daseinsform gebracht, in der er nur noch einen Klienten betreut, eben jenen Herrn Rammstedt. Der ist Schriftsteller und benutzt die Treffen mit seinem Bankberater auch oder vor allem, um Stoff zu sammeln für sein aktuelles Buchprojekt, das den Arbeitstitel „Die Abenteuer meines Bankberaters“ trägt.

Doch lange Zeit finden keine nennenswerten Abenteuer statt, bis sich dann eines Tages die Ereignisse überstürzen, da der Romanbankberater seine eigene Bank überfallen möchte. Das kann wiederum der Romanautor nicht zulassen, da ihm sein Berater viel zu ungeeignet für eine solche Tat erscheint und das Buch dadurch wahrscheinlich auch nicht genügend Pfiff und Glamour hätte. Deswegen hat der Autor im Buch die großartige Idee, ähnlich jemandem, der das Casting für Filme macht, sich eine andere Besetzung für den Bankräuber zu überlegen und stößt beim Nachdenken auf Bruce Willis.

Gedacht, getan, schon sitzt er am Rechner und schreibt Bruce Willis eine Mail nach der anderen, bittet ihn um Mithilfe: „Genau genommen brauche ich Sie nur für ein paar Seiten des Romans, nur für eine Szene, eine einzige brenzlige Situation. Bei brenzligen Situationen sind Sie nun einmal der Erste, der einem in den Sinn kommt“. Doch der Hollywoodstar meldet sich nicht, weswegen die Mails des Schriftstellers dann und wann einen scharfen und ungeduldigen Ton annehmen, dann wieder rudert er zurück, er habe es nicht so gemeint, wolle eben nur sein Projekt voranbringen und brauche dazu nun einmal seine, Willis’, Hilfe.

So geht das eine Zeitlang, bis der Schriftsteller seinem Wunschdarsteller eröffnet, er, Willis, sei sowieso insgesamt die bessere Besetzung, also nicht nur für eine brenzlige Situation. Doch auch dieses Lockmittel zieht nicht, kein Zeichen aus L. A. Trotzdem arbeitet der manische Autor weiter, bezieht Willis mit ein, beschreibt den Ablauf des Überfalls, das teilweise Misslingen desselben, die Flucht, die beide, Autor und Bankräuberdarsteller, einerseits zusammenschweißt, andererseits aber auch ihre Unterschiede und ihre stark abweichenden Motivationen offenbart. Und so entsteht unter der Hand der Roman im Roman, ein veritables Gangsterstück, das der Urheber seiner Hauptperson mailt.

Im real vorliegenden Buch des 1975 in Bielefeld geborenen Tilman Rammstedt wechseln sich absolut regelmäßig die unterschiedlich langen Mails an Bruce Willis ab mit den meist kurzen Beschreibungen der Treffen des Autors Rammstedt mit dessen Bankberater. Und auf beiden Ebenen brilliert Tilman Rammstedt, lässt seine Fantasie sprudeln, schert sich nicht um Konventionen, sondern zieht eine Federboa nach der anderen aus seinem Zauberhut, etwa wenn er mit immer kurioseren Einfällen den zunehmend privaten Charakter der Beratungstermine dokumentiert: „Mein ehemaliger Bankberater ließ mich eine Zeit lang immer meine Zahnpasta zu unseren Terminen mitbringen und füllte sich einen großzügigen Teil davon in eine Butterbrotdose ab. Er habe sich das mal durchgerechnet, erklärte er mir. ,Das kommt mich einfach billiger.‘“

Man liest immer mal wieder, es gäbe Bücher für sogenannte geübte Leser. Vielleicht wird man das auch über dieses Buch sagen, weist es doch einen Roman im Roman auf, verwendet den Namen des realen Autors zusätzlich als Name einer der Romanfiguren, hat keinen durchgängigen Text, sondern die sich regelmäßig abwechselnden zwei Erzählstränge. Doch was ist denn ein geübter Leser und warum sollte allen anderen Lesern dieses Buch nicht gefallen können und Spaß machen? Man muss nicht geübt sein, sondern ganz einfach offen für ein Buch, das so spielerisch und unterhaltsam ist, das außerdem sehr schön gestaltet ist, dass man gar nicht anders kann, als es zu mögen.

Titelbild

Tilman Rammstedt: Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters. Roman.
DuMont Buchverlag, Köln 2012.
190 Seiten, 18,99 EUR.
ISBN-13: 9783832196868

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