Die Fauvisten und der beleidigte Oligarch

Der dritte Fall von Ava Lee mit ähnlichen Zutaten und einigen überraschenden Wendungen

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jetzt ist auch Ava Lee wieder da, der „weibliche James Bond“, wie der Verlag wirbt. Ihr dritter Fall führt sie ins Kunstmilieu: Denn wo Millionen für ein Bild bezahlt werden, ist auch der Betrug nicht weit. Und auf Betrug ist Ava Lee spezialisiert. Im großen Maßstab, denn es geht immer um Millionen, die einfach mal so verschwinden, und die Betrüger gleich mit. Und sie findet beide wieder, und dabei ist sie nicht zimperlich.

Auch in ihrem neuesten Fall ist sie nicht zimperlich. Aber diesmal auch gegen ihre Auftraggeber. Denn obwohl sie es schon von Anfang an geahnt hat und sich eigentlich auch schon weigern wollte, den Auftrag zu übernehmen – wenn das liebe Geld sie nicht auch locken würde – diesmal wollen ihre Auftraggeber sie übers Ohr hauen. Wie sie das löst, in einem furiosen, knallharten Verhandlungsfinale, das wird natürlich nicht verraten.

Verraten werden kann, dass es um einen superreichen Chinesen aus Wuhan handelt, einer, der seit vielen Jahren die Fäden in der Provinz zieht, von dem alle abhängig sind, auch die Politiker, für den oder mit dem alle schon mal gearbeitet haben, eine fette Spinne in einem riesigen Netz. Ein Neureicher noch dazu, der sich hochgearbeitet hat, der nie die ganz üblen Dinger gedreht hat, und der sich und der Welt dann irgendwann einmal beweisen wollte, dass er auch Bildung und Kultur hat. Und sich deswegen etwas Kunst gekauft hat, auch, aber nicht nur, weil das eine gute Geldanlage ist. Nein, er wollte seine chinesischen und vor allem die westlichen Geschäftspartner mit einer neuen Facette beeindrucken. Und so hat er sich über einen Kunsthändler Bilder von Fauvisten besorgt. Nicht in der Preislage von van Goghs, aber auch nicht billig. Und irgendwann stellt sich dann heraus, dass viele seiner Bilder Fälschungen sind.

Natürlich will der beleidigte Oligarch sein Geld zurück. Dummerweise ist aber der Kunsthändler leider inzwischen gestorben, alle seine Unterlagen sind vernichtet, es gibt keine Spuren. Über den geheimnisvollen „Onkel“, auch er irgendwie mit dem Wuhan-Chinesen verbandelt, engagiert er Ava Lee, die sich zögernd, aber doch dann interessiert und zielstrebig auf die Suche macht. Die Spur, die sie mühsam findet, führt über Hongkong und London bis auf die Färöer, wo es vor allem sehr kalt ist, und nach New York, sie führt über berühmte Galerien, Kunstexperten und Versteigerungshäuser bis zu verarmten Künstlern in einsamen Dörfern.

Viele Zutaten zu den erfolgreichen Ava-Lee-Krimis kennt der Leser schon. Natürlich ist Ava sexy, jung, schlau und erfolgreich, lesbisch, durchtrainiert und mit den Gaben einer tödlichen Selbstverteidigungsmethode gesegnet. Natürlich wird einem wieder minutiös und ermüdend aufgezählt, welche Hosen-, Kleider- und Trainingsanzugmarken sie trägt, welche Parfüms sie auflegt und welche Luxusuhren sie trägt, in welchen Läden sie was in welcher Farbe einkauft und welchen Preis sie in welchen Hotels für ihre Zimmer zahlt. Dass dem Autoren nie jemand gesagt hat, dass solche Aufzählungen nicht von seinem Rechercheaufwand künden, sondern von seinem Mangel an Selbstkritik, ist schon erstaunlich.

Zwei Dinge sind aber neu und heben diesen Roman von den Vorläufern ein wenig ab: Zum einen wird ein wenig genauer über das Leben in China erzählt, von den Superreichen, von den Netzen, die sie, wenn sie schlau sind, haben knüpfen können, von den gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen Wirtschaft und Politik. Aber auch von den Familienverhältnissen, von den verschiedenen Frauen, die man als Chinese wohl immer noch haben kann (wenn man sie sich leisten kann) – das war schon früher angedeutet worden, hier ist es noch einmal deutlicher ausformuliert. Auch was Ava betrifft, denn einmal trifft sie ihren Halbbruder, und am Schluss wird angekündigt, dass da noch etwas passieren wird: Cliffhanger!

Zum anderen aber, und das ist gänzlich neu, hilft Ava Lee einigen von denen, die am Betrug beteiligt waren, ihre Schulden auf legalem Weg zu bezahlen, statt sie auszunehmen und auszuliefern – immerhin geht es um 73 Millionen. Neu ist auch, das ihr nicht alles gelingt, denn „Die wilden Bestien von Wuhan“ des Titels, das sind dann doch andere als die, die man vielleicht erwartet hatte. Das Buch ist ein spannender, etwas konventioneller, aber doch sauber gestrickter Krimi, von dem man gut unterhalten wird.

Titelbild

Ian Hamilton: Die wilden Bestien von Wuhan. Ein Ava-Lee-Krimi, Band 3.
Aus dem Englischen übersetzt von Simone Jakob.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2013.
312 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783036956183

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