Sieht er so aus, ist er es auch

Jutta Persons Band „Esel“ in der Reihe „Naturkunden“

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

So eine schöne Reihe, die von Judith Schalansky herausgegebenen „Naturkunden“. Und so eine Enttäuschung: Gleich der zweite Band mit dem Titel „Esel“ erzählt uns nichts oder fast nichts über die Tiere. Über Nietzsche wird erzählt, über die griechische Antike, über die Philosophie- und Literaturgeschichte, vieles über menschliche Vorurteile, aber wenig über die Tiere selbst. Wie sind sie denn wirklich, jenseits unserer menschlichen Vorstellungen? Wie leben sie, wie ist ihr Charakter, wie kann man sie erziehen, wenn man es kann? Sind sie wirklich störrisch? Was haben sie geleistet und wozu sind sie nicht zu gebrauchen, als Haus- oder Hoftiere?

Stattdessen hat Jutta Person tief in die Schublade gegriffen und alles Mögliche hervorgekramt, was irgendwie mit Eseln zu tun hat: Sie schreibt über Carl Gustav Carus, Theodor Lessing und Lukian, Sancho Panza und das Kinderbuch „Der Esel Benjamin“. Zudem immer wieder über die Ideen eines Christentums, das den Esel als Reittier für Jesus reklamierte, weil es eben in der Bibel steht, beim Propheten Zacharias, dass der Messias auf einem Esel geritten kommt.

Dabei gibt es sogar ein Kapitel über die „Charakterologie des Esels“. Aber auch da wird man nicht zoologisch aufgeklärt, sondern bekommt etwas über Hans Albers erzählt und über die Physiognomik, jene Pseudowissenschaft, an die früher einmal geglaubt wurde: Sie erklärt den Charakter eines Menschen aus der Kopfform – hat ein Mensch eselsgleiche Züge, ist er auch ein Esel. Noch Lavater hat daran geglaubt: „Mit Lavater hat das Eselklischee den Sprung in die physiognomische Moderne geschafft“, behauptet Person. Auch sein bedeutendster Nachfolger, Carus, „nutzt die Tierphysiognomik, um Abweichungen von der menschlichen Idealform zu kennzeichnen“.

So geht es munter weiter: Nach einer launigen und mit dem Rest des Buches völlig unverbundenen Reportage von der schwäbischen Alb über Brehm, der ja alle Tiere vermenschlichte, über Conrad Gesners „Historia animalium“ aus dem 16. Jahrhundert bis zur Diskussion, ob der Esel ein entartetes Pferd sei oder ein Wesen für sich – was vor allem Auswirkungen auf die Theologie hatte. Goethe, Tischbein, Derrida, Machiavelli, Apuleius: Alle, die jemals etwas über Esel gesagt haben, sind versammelt.

Nein, dieses Buch ist eine rechte Rumpelkammer an kulturhistorischen Fakten, die alle irgendwie mit dem Esel verknüpft sind. Wo noch das Buch „Krähen“, der erste Band der Reihe, von Cord Riechelmann, mit Fakten über die Tiere selbst brillierte und einer lesbaren, unterhaltsamen Sprache, ist der Band „Esel“ eine bloßes Sammelsurium. Schade um den edel gestalteten Einband und die schöne Idee – denn Esel sind ja wirklich interessante Tiere. Man wüsste nur wirklich gerne, wie sie sind.

Titelbild

Jutta Person: Esel. Ein Portrait (Naturkunden, hg. von Judith Schlansky).
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2013.
172 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783882210781

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