Nur Musik im Kopf

Jürgen Teipels Gespräche zur DJ-Kultur

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jeder kennt Jürgen Teipel, oder wenn nicht, sein Buch „Verschwende Deine Jugend“. Da man nicht immer nur über Punk und seine gesellschaftliche Relevanz reflektieren und schreiben kann, greift Teipel im vorliegenden Projekt auf Themen zurück, die er schon in „Verschwende Deine Jugend“ untersucht hat: Die Empathie für die Figuren, die Sensibilität in der Textauswahl und die Kombination von geschriebenem und nicht geschriebenem Text. Dies ist vor allem im vorliegenden Buch wichtig, denn es ist eine Zusammenstellung, wenn nicht sogar eine Kompilation, aus einer Vielzahl von Gesprächen, die Jürgen Teipel in der Mitte des letzten Jahrzehnts geführt hat.

Teipel hat die erste Reihe der Techno- und House-DJs interviewt, unter anderem Hans Nieswandt, Acid Maria, Andi Teichmann, Kristina Beyer, den legendären Dirk Mantei, DJ Hell und DJ Koze, Miss Kittin, Rainer Trüby und Inga Humpe – um nur einige zu nennen. Teipel hat die Äußerungen der DJs in thematische Bereiche geordnet, stellt inhaltlich passende Kommentare zueinander und kreiert damit imaginäre Dialoge. So rekapituliert Acid Maria: „Als wäre diese ganze Ibiza-Sache ein Gegenentwurf zu diesem Leben, was ich aus Elternhaus und Schule so kannte. Alleine das hat mich interessiert. Dass ein Leben vom Tag auf die Nacht verschoben ist. Dass etwas nicht auf so einen langfristigen Plan hinausläuft“. Jahrelanges Auflegen in den Clubs der Republik und eine internationale DJ-Szene haben bei den interviewten DJs zu umfangreichen Erfahrungen und Erkenntnissen geführt. Kristian Beyer formuliert auch eine der zentralen Wahrheiten in Bezug auf Musik: „Man muss gute Musik manchmal einfach suchen. Die kommt einem nicht zugelaufen.“ Und warum ist es wichtig, gute Musik zu suchen? Hans Nieswandt hat die Antwort: „Musik ist ja für alles gut. Musik ist immer hilfreich und tröstlich.“

Zu den Fähigkeiten von „Plattenauflegern“ sagt Michael Mayer: „Entscheidend finde ich das Verhältnis zu deinen Platten. Dass du deine Platten kennst. Dass du um ihre Wirkung weißt. Wenn eine Platte gespielt wird, dann entstehen aus dieser Platte heraus ja ganz viele Momente.“ Und so findet man bei der sehr kurzweiligen und unterhaltsamen Lektüre jede Menge Erkenntnisse über das Leben und die Musik, über das Feiern, über Partys und über Drogen und synthetische Substanzen und ihren Gebrauch. Was House und Techno vermittelt und vermitteln kann, bringt Hans Nieswandt auf den Punkt: „Was mich echt wütend macht und was für meine Begriffe auch eine Art globales Zeitgefühl repräsentiert, ist vor allem Hip-Hop und R&B aus Amerika mit seinen ganzen verdammten Frauenbildern und Männerbildern, die die Köüfe und Herzen und Seelen der Kids verseuchen. Die Christina Aguileras und Britney Spears’ für die Mädchen – die 50 Cents und Eminems oder Puff Daddys für die Jungs. Materialismus von vorne bis hinten. Grauenhaft!“

So hat Jürgen Teipel ein Buch über Techno, House und über die Club-Kultur geschrieben, das unterhaltsam und kenntnisreich ist und nicht nur für den Techno- und House-Freund zum Lesen empfohlen werden kann.

Titelbild

Jürgen Teipel: Mehr als laut. DJs erzählen.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013.
236 Seiten, 14,99 EUR.
ISBN-13: 9783518464823

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