„Die Macht des Vierten“ – Reinhard Brandt hat einen Sammelband über eine Ordnungs-Matrix der europäischen Kultur herausgegeben

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

1991 stellte Reinhard Brandt in seiner Monografie „D’Artagnan und die Urteilstafel“ ein seit zweieinhalb Tausend Jahren virulentes, bis dato aber noch unentdecktes Ordnungschema vor und fasste es in die ‚Formel‘ „1, 2, 3 / 4“. Inzwischen hat der Marburger Philosoph die „Vierer-Ordnung“ in der gelehrten Gemeinde soweit plausibilisiert, dass er etliche Beitragende für einen Sammelband zur weiteren Validisierung seiner These, es handele sich bei der Matrix um die „die mächtigste europäische Ordnungsform“, gewinnen konnte. Anhand diverser Beispiele aus Geistes- und Kulturgeschichte, der Philosophie sowie aus Literatur und Malerei bezeugen sie „Die Macht des Vierten“, wie denn auch der Titel des Bandes lautet.

Im Vorwort legt Brandt noch einmal die „Aufgabe“ der „Matrix“ 1, 2, 3, / 4 dar: „Sie ordnet ein Mannigfaltiges in drei übersichtliche Positionen und schließt dann ein Viertes an, das keinen weiteren Inhalt hinzuaddiert, sondern die Dreiheit als vollständig bestätigt, sie zur gesicherten Wirklichkeit gelangen lässt oder auch ihre Zusammenkunft begründet.“ Die Konstante und somit das einheitsstiftende Moment liegt in der Beziehung zwischen Dreiheit und Viertem, die als „Fortsetzung und Bruch“ auftritt. Sie bildet Brandt zufolge „das eigentliche Merkmal“ der Matrix.

Die neun, durchweg gelehrten, historisch angeordneten Beiträge setzen mit Platon (Andree Hahmann) ein und enden mit Schopenhauer (Margit Ruffing), obgleich Brandt das Vorhandensein des Schemas auch noch im 20. Jahrhundert konstatiert. Rebecca Lämmle beleuchtet die Rolle des „Satyrspiels in der tragischen Tetralogie“, Hans Gerhard Senger geht der „Funktion und Bedeutung des Quarternas bei Cusanus“ nach, Harald Schwaetzer zeigt „die Konzeption von Seele in der frühniederländischen Malerei“ auf, Ulrike Santozki entdeckt „die Macht des Vierten bei Johann Wolfgang Goethe“, Johann Kreuzer räsoniert „über ein Denkmotiv Hölderlins“, die ‚Heiligkeit der Vierzahl‘ und der ‚Bestand der Prozessualität‘“ stehen im Zentrum von Paul Ziches Erörterung des Ordnungsform bei Schelling. Brandt selbst widmet sich einmal mehr dem Schema in Kants Philosophie.

Die Frage, nach einem „zwingenden Grund dieser Ordnung“ lässt der Herausgeber offen. Sollte es ihn geben, so wurde er bislang nicht entdeckt. Der vorliegende Band jedenfalls beschränkt sich darauf, „ihre erstaunliche Häufigkeit“ mit etlichen weiteren Beispielen zu dokumentieren.

R. L.

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Titelbild

Reinhard Brandt (Hg.): Die Macht des Vierten. Über eine Ordnung der europäischen Kultur.
Felix Meiner Verlag, Hamburg 2013.
352 Seiten, 28,90 EUR.
ISBN-13: 9783787325146

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