Ein bisschen Bohemien und ein bisschen Ehemann

Richard Yates erzählt von einer „strahlenden Zukunft“

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es fängt alles so hoffnungsvoll an: Schnell ist Michael Davenport erwachsen geworden. Er sitzt während des Kriegs als Rumpfschütze in einer B 7, gewinnt einen Boxkampf, lässt sich einen Schnäuzer wachsen und misstraut den pathetischen Sprüchen. Er studiert in Harvard, schreibt Theaterstücke und heiratet schließlich Lucy Blaine, eine hübsche, jüngere, „passende“ Frau. Und millionenschwer, was Michael zunächst gar nicht weiß – sie erzählt es ihm während der Hochzeitsreise. Alles wird gut, denn sie lieben sich.

Aber er möchte natürlich nicht auf ihre Kosten leben, sondern ein „richtiger Mann“ sein, sein eigenes Geld verdienen. Und so leben sie bald ein zunehmend ödes Mittelstandsleben in einem trostlosen Vorort. Er trinkt zu viel, ist ein bisschen Künstler und ein bisschen mehr Lohnschreiber, möchte sich hocharbeiten, aber vor allem als richtiger Poet anerkannt werden, träumt vom großen Durchbruch, vom literarischen Ruhm. Er ist ein bisschen Bohèmien und ein bisschen Ehemann und bald auch Vater. Er betrügt seine Frau und beginnt unter psychotischen Schüben zu leiden – und die Ehe zerbricht. Vor allem an der Gleichgültigkeit und der Gewohnheit: „Natürlich scheint das meistens keine Rolle zu spielen: Man kommt durch; man kommt zurecht; die Kinder kommen zur Welt und werden größer, und schon bald bleibt man bloß noch wach, bis es Zeit ist, schlafen zu gehen.“

Richard Yates Roman „Eine strahlende Zukunft“ erzählt nicht von den Sehnsüchten und Vorhaben eines jungen, romantisch verliebten Paares, das sich gerade zusammen in die Zukunft aufmacht, sondern von den zerbrechenden Illusionen und dem Scheitern zweier Menschen, die nicht merken, wie sie immer tiefer in ihr selbstgemachtes Elend hineinrutschen, bis es zu spät ist. Bis sie sich nur noch trennen können. Aber selbst das hilft ihnen nicht weiter. Eine strahlende Zukunft gibt es für beide nicht.

In drei ausführlichen Kapiteln erzählt Yates von ihnen und ihrem Leben zwischen Aufbruch und Resignation, mit vielen Unterbrechungen durch Theaterstücke und Diskussionen über Literatur. Im Mittelteil geht es um Lucy, die, als Hausfrau und Mutter frustriert und unerfüllt, alle möglichen Sachen ausprobiert, Schauspielerei, Schreiben, Malen. Auch ihre Affären bringen sie nicht näher zu sich, auch hier sucht sie sich ständig Männer aus, die sie enttäuschen. Auch Michael hat Affären, die ihn nicht erfüllen. Er wird Dozent für Kreatives Schreiben in der Provinz, heiratet noch einmal, die viel jüngere Sarah, und bekommt noch ein Kind. Aber auch sie verlässt ihn, auch mit ihr hat er keine „strahlende Zukunft“.

Es ist ein aufregender, wenn auch deprimierender Roman über Träume und Ansprüche, über Sehnsucht und Sichverlieren, über das Künstlertum und das „normale“ Leben. Von Anfang an ist dem Leser klar, dass dieses gemeinsame Leben scheitern wird, schon bei den ersten Verliebtheiten, bei den ersten Treffen mit Lucys Eltern, bei der Hochzeit – stets macht Yates mit wenigen Worten deutlich, dass hier etwas beginnt, das sich vielleicht über dreißig Jahre lang hinschleppen, aber sich nicht zum Guten wenden wird.

Titelbild

Richard Yates: Eine strahlende Zukunft. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Thomas Gunkel.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014.
400 Seiten, 22,99 EUR.
ISBN-13: 9783421046116

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