Ein Literaturhooligan bei den Tagen der reitenden Leichenwäscher

Wie viel Satire verträgt der Bachmannpreis?

Von Katharina GraefRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katharina Graef

Dass man Tex Rubinowitz in diesem Jahr beim Bachmannpreis treffen wird, ist eigentlich keine bemerkenswerte Neuigkeit für diejenigen, die mit dem Drumherum des Wettlesens vertraut sind. Schaut man in das aktuelle Programm der „Lendhauer“, die für das Rahmenprogramm am Lendkanal unweit des ORF-Studios und der Klagenfurter Innenstadt sorgen, findet man ihn gleich mehrfach: Die „Evergreens of Psychoterror“-Party (mit DJ Tex Rubinowitz) und der „Bachmann Song Contest“ (erfunden vom ESC-Fan Rubinowitz) sind ein Muss bei der Abendgestaltung. Sehr wohl etwas Neues ist aber, dass Rubinowitz nun auch als Autor an den Start geht. Wie konnte es so weit kommen?

Jurorin Daniela Strigl holt sich mit dem Witzezeichner und Autor Rubinowitz eine Satire auf den Literaturbetrieb ins eigene Haus. Die fünf Tage am Wörthersee beschreibt er als „solipsistische[s] Gewebe“ und „Tage der reitenden Leichenwäscher“ – er spielt damit auf die beruflichen Vorleben der anwesenden Autor*innen an –, die man damit verbringt, sich „mehrere Tage klorollenlange, leiernde Lesungen mit anschließendem, vermeintlich knasterbärtigem Auseinanderpflücken des eben Gehörtem durch eine lichtscheue Jury anzuhören“. Die Videoporträts der Autor*innen, die am Anfang jeder Lesung stehen, hält er für einen altbackenen, unästhetischen und unappetitlichen Aspekt dieses „Lesegeknatters“. Zu viele gängige Literatenklischees würden in ihnen bedient („beschriebene Seiten werden zerknüllt und/oder weggeworfen und/oder vom Wind davongeweht“), zu viele biografische Randnotizen darin verarbeitet. Damit klärt sich zwar die Frage, warum man auf der TddL-Website keinen solchen Film über Rubinowitz finden kann, nicht aber, warum die Jury mit ihm das Risiko eingeht, eine offensichtlich subversive Kraft zum Teil des Wettbewerbs zu machen.

Vielleicht liegt die Antwort in genau diesen durchdachten Sprachspielen, mit denen Rubinowitz das stellenweise absurde Gebaren rund um den Bachmannpreis beschreibt. Sie entstammen dem Text Die Tage der reitenden Leichenwäscher aus seinem 2012 bei Rowohlt erschienenem Prosaband „Rumgurken. Reisen ohne Plan, aber mit Ziel“. Darin kann man ihm nicht nur nach Klagenfurt, sondern auch nach Oslo („völlig verbumfeit“), Baku („pseudoklassizistische Disneylandarchitektur“) und Cleveland („eine Stadt, die sich, so scheint es, gerade selbst verdaut“) folgen. Eigentlich sind es aber gar nicht die Orte, die im Zentrum der Texte stehen, sondern die Geschichten und Details, die sich aus ihnen ergeben und die Reisen ausmachen. So kann zum Beispiel die detaillierte Beschreibung über den Umgang mit einem vereiterten Zeh in Porto zu einem sinnstiftenden Bild werden: „Ab und zu stach ich den Ballon mit einem Kugelschreiber an und ließ Eiter ab, aber es änderte natürlich nichts, die bösen Keime reisten mit mir im Zeh bis Portugal, eine Spur des Eiters, der Auftrag war also, dem Schmerz Europa zu zeigen, oder andersherum.“

Tex Rubinowitz wurde als Dirk Wesenberg 1961 in Hannover geboren, lebt aber seit 30 Jahren in Wien. Er ist nicht nur Autor, sondern auch erfolgreicher Witzezeichner und Sänger der Band „Mäuse“. Er geht manchmal schwimmen, trinkt gerne viel Bier und kann nichts essen, auf das sein Schatten fällt. „Ich hab eben ’ne Marktlücke entdeckt bzw. die Marktlücke hat mich entdeckt möglicherweise. Also eben das Absurde“, sagt er in einem Interview. Ob er diese Lücke auch beim Wettbewerb füllen wird? Hoffentlich!

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen