Trüffel, Wein und Mord

Aldo Cazzullo überzeugt mit seinem Debüt-Krimi „Bitter im Abgang“

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Als Domenico Moresco tot aufgefunden wurde, sah zunächst alles nach einem Herzinfarkt aus. Ein harmloser Dornenkratzer an der Stirn, sonst nichts, keine andere Verletzung, die auf ein Verbrechen schließen ließ. […] Dennoch wurde die Polizei verständigt“. Denn Moresco, ehemaliger Kommandant der Widerstandsbewegung am Ende des Krieges, ist inzwischen einer der reichsten Männer der Gegend. „Es war der Inspektor, der das winzige Einschussloch entdeckte. […] Auch das karierte Hemd hatte ein Loch an derselben Stelle. Und das Wollunterhemd. Und die Brust. Ein kleiner Punkt, fast unsichtbar zwischen den weißen Haaren. Auf Höhe des Herzens“.

Und dann geschieht ein weiterer Mord. An Vergnano, dem alten Faschisten. Und da gibt es eine Verbindung: Denn Moresco war vor 65 Jahren in Virginia verliebt. Als sie sich nicht für ihn, sondern für Alberto entscheidet, schickt er sie auf eine gefährliche Mission, von der sie nicht zurückkehrt: Sie wird entdeckt und von den Faschisten gefoltert. Einer der Faschisten war Vergnano. Alles deutet auf Alberto hin, der sich jetzt rächen will.

Italienische Krimis haben Hochkonjunktur, aber die meisten sind genauso Massenware wie die deutschen. Cazzullos Debüt „Bitter im Abgang“ ist eine Ausnahme. Die Geschichte einer Liebe und einer Rache wird von ihm knapp und präzise erzählt, in einer komplexen Konstruktion auf drei Zeitebenen, die sich abwechseln: 1944, 1963 und 2011. Und mit diesem stilistischen Dreh erzählt Cazzullo auch gleichzeitig die Lebensgeschichte der beiden ehemaligen Kameraden, von Albertos Affäre mit Vittoria, der Frau von Moresco, erzählt aber auch eine Geschichte von Alba, einer Region, die vom Wein, von den Trüffeln und zunehmend auch von den Touristen erzählt, die hier wandern, einkaufen und gut essen und trinken wollen.

Es geht also um viel Geld. Und auch diese Geschichte beginnt 1945, als Moresco vom Pfarrer von Alba die Hälfte eines großen Schatzes erpresst, den die italienische Armee bei ihrem panischen Rückzug hier versteckt hatte. Wo ist das Geld geblieben?

Knapp ist Cazzullos Stil, schnell werden die Charaktere deutlich: „Der Wirt hingegen war der uneheliche Sohn des reichsten Gastronomen der Gegend, der sich nicht zurückhalten konnte und jede neue Kellnerin ausprobieren musste. Wurde das Kind dann volljährig, richtete er ihm eine Trattoria ein“. Sehr verdichtet erzählt Cazzullo, deutet an, lässt den Leser die Atmosphäre selber spüren, ohne zu viel zu erklären. Er führt mit wenigen Worten in die verwickelten Beziehungen zwischen den Alteingesessenen, die sich noch 65 Jahre nach der Befreiung mit ihren Widerstandsnamen anreden, erzählt von den festen Seilschaften, wie es sie in so einem kleinen Ort, in dem jeder jeden kennt, natürlich gibt. Aber Schein und Sein liegen auch hier sehr weit auseinander. Ein starkes Debüt, das Lust auf mehr macht.

Titelbild

Aldo Cazzullo: Bitter im Abgang. Ein Verbrechen. Ein Schatz. Ein Krieg.
Übersetzt von Petra Kaiser.
Verlag C.H.Beck, München 2014.
152 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783406660382

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