Vom Sohn eines Hausmeiers zum Herrscher Europas

Matthias Bechers kurze Biographie Karls des Großen

Von Christian Prado WohlwendRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christian Prado Wohlwend

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Karl der Große wird generell von der Forschung mindestens als eine der bedeutungsvollsten Persönlichkeiten des Mittelalters betrachtet, welche zur Errichtung des heutigen Europas beigetragen haben, wenn er nicht ganz plakativ als Begründer Europas verklärt wird.

In diesem knappen Bändchen der Reihe Wissen vom Beck Verlag stellt der Professor für mittelalterliche Geschichte der Universität Bonn, Matthias Becher, dem Leser die Figur Karls in seiner breiten Komplexität vor, denn die Beschreibung einer solchen mittelalterlichen Persönlichkeit impliziert gleichwohl die Charakterisierung der Epoche und der Gesellschaft, in denen er lebte. Vom Höhepunkt seiner Herrschaft ausgehend, nämlich die Kaiserkrönung am Weihnachtstag des Jahres 800 durch den Papst Leo III., zeichnet der Verfasser des Buches ein vielschichtiges Bild, das den Leser zu den verschiedenen Bereichen, Konflikten und Elementen führt, die zur Bildung und Entwicklung der Person Karls sowie seines Schaffens beigetragen haben. Der Autor geht nicht nur chronologisch vor, wie das Anfangskapitel über die Kaiserkrönung verdeutlicht, sondern wählt Episoden oder Ereignisse seines Lebens aus, die dann weiterentwickelt und analysiert werden. So werden nach dem Höhepunkt der Krönung der Untergang des Römischen Reiches im Westen Europas sowie eine kurze Geschichte des Frankenreiches dargestellt, die sich von den Anfängen der Merowinger bis zum Aufstieg der Karolinger erstreckt. Somit wird dem Leser von den gesellschaftlichen, familiären und politischen Ereignissen berichtet, die notwendig waren, damit Karl an die Macht kommen konnte, die er in den späteren Jahren ausdehnte, um der mächtigste Herrscher im Westen Europas zu werden.

Nach diesen Kapiteln befasst sich der Autor mit dem Schaffen des Königs Karl. Von nun an werden Themen und Ereignisse in getrennten Kapiteln abgehandelt, die mindestens partiell zeitlich parallel verlaufen. So: Karls Jugend und erste Regierungsjahre: Vom Sohn eines Hausmeiers zum Eroberer Italiens (Kapitel 3), Die Ausdehnung des Frankenreiches nach Osten (Kapitel 4) oder Karl, das Papsttum und der Byzantinische Kaiser (Kapitel 5). Wenn der Verfasser streng chronologisch vorgegangen wäre, wäre das Verstehen der Inhalte für Laien zur fast unmöglichen Aufgabe geworden. Außerdem wäre der Leser mit zahlreichen aneinandergereihten Daten konfrontiert, die das Lesen sehr erschweren würden.

Becher präsentiert dem Leser nicht nur kriegerische Auseinandersetzungen oder Machtkämpfe sondern auch Karls Regierungsformen: Die Lenkung des Reiches (Kapitel 6), die Beziehungen zu seiner eigenen Familie und Erbe: Karls Familie und die Regelung seiner Nachfolge (Kapitel 7) oder seinen Umgang mit Kultur und Religion sowie seinen Einfluss auf die spätere mittelalterliche Gesellschaft.

Der Band ist zudem mit den Stammtafeln der Merowinger und Karolinger, einer Zeittafel, einem Personenregister und einer kommentierten Kurzbibliographie versehen, die die Lektüre erleichtern und das Interesse an weiteren Werken wecken können.

Trotz der nur 127 Seiten ist das Buch aufgrund seiner komplexen und dichten Inhalte nicht als Nachttischlektüre geeignet, denn es bedarf einer gewissen Aufmerksamkeit. Wenn letztere gewährleistet wird, eignet sich der Band sowohl für Einsteiger als auch Fortgeschrittene. Alles in allem handelt es sich um ein durchaus empfehlenswertes Buch, das der an Mittelalter, Franken und Karl dem Großen interessierte Leser gewiss genießen wird.  

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Matthias Becher: Karl der Große.
Verlag C.H.Beck, München 2014.
128 Seiten, 8,00 EUR.
ISBN-13: 9783406433207

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