Der müde Killer

Mit seinem Thrillererstling „Die rechte Hand des Teufels“ ist Kim Zupan ein kleines Meisterwerk gelungen

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Er lässt niemanden an sich heran – mit Ausnahme des jungen Deputy Sheriffs Valentine Millimaki. John Gload, Mörder ohne Gewissen, hat nicht mehr die Kraft gehabt, sich dem Arm des Gesetzes nach seiner letzten Tat zu entziehen. Verraten von seinem unerfahrenen Partner, wartet er nun im Gefängnis von Copper County darauf, verurteilt zu werden. Doch er gesteht nicht, und so kann man ihm viele der Taten, deren er verdächtigt wird, nicht nachweisen.

Nur mit eben jenem Millimaki macht er eine Ausnahme. Aufgefallen ist ihm der junge Mann schon, als er ihn zusammen mit zwei abgebrüht wirkenden Kollegen festgenommen hat. Während Letztere den alten Mann bei dieser Gelegenheit wie Abschaum behandelten, hat Val Millimaki menschliches Interesse erkennen lassen. Und indem er den Alten zu seinen ersten Gerichtsterminen begleiten muss und in den Nächten den Gefangenentrakt bewacht, in dem auch Gload schlaflos in seiner Zelle sitzt, ist zwischen den beiden langsam ein ganz besonderes Verhältnis entstanden, dessen sich der Killer zunächst aber bewusster zu sein scheint als sein Gegenspieler.

„Die rechte Hand des Teufels“, der Debütroman von Kim Zupan, konfrontiert zwei Männer miteinander, von denen jeder auf seine Weise in einer Lebenskrise steckt. Während der Alte des Mordens müde ist, mit seiner Frau den letzten Halt in der Welt verloren hat und sich nach endgültiger Ruhe sehnt, die er sich freilich nicht innerhalb der ihn umgebenden Gefängnismauern vorzustellen vermag, quälen den Deputy Beziehungsprobleme. Denn Glenda, Krankenschwester und einer anderen gesellschaftlichen Schicht entstammend, hat sich die Ehe mit dem ehrgeizigen und ernsten Mann anders vorgestellt. Nun muss sie erleben, dass sie beide zu unterschiedlichen Tageszeiten arbeiten, sich deshalb kaum mehr sehen und sie meist in ihrem außerhalb des Orts gelegenen Haus allein ist.

Val findet nicht den richtigen Weg, auf ihre stummen Hilfeschreie zu reagieren. Stattdessen hat er selbst mit zunehmender Schlaflosigkeit zu kämpfen und muss eine Reihe von Niederlagen im Dienst hinnehmen, indem es ihm zusammen mit seinem Spürhund nicht gelingen will, als verschwunden Gemeldete lebendig wiederaufzufinden. Als ihn seine junge Frau schließlich verlässt, bleibt als letzte Beziehung zur Welt nur der immer offener in den Nächten mit ihm plaudernde John Gload. Was die Kollegen des Deputys nicht schaffen – Millimaki gegenüber öffnet sich der Killer immer mehr und gibt Geheimnisse preis, die er bisher mit keinem anderen teilte. Dass er sich damit auch angreifbar macht, nimmt er offenbar in Kauf. Was letzten Endes seine Pläne sind, ahnt allerdings auch der junge Sheriff nicht.

Kim Zupans Debüt ist ein außerordentlich stilsicherer, souverän komponierter Roman, der an große Landsmänner des Autors wie Cormac McCarthy, D. R. Pollock oder James Sallis denken lässt. Mit seinen beiden Hauptfiguren, die mehr eint als trennt, auch wenn sie auf verschiedenen Seiten des Gesetzes stehen, ist ihm eine spannungsreiche Konstellation geglückt. Großartige Naturbeschreibungen der Landschaft von Montana, dem Bundesstaat, aus dem auch Zupan stammt, wechseln ab mit Blicken in die Seelen eines gefühllosen Killers, der zum erstenmal in seinem Leben so etwas wie Freundschaft empfindet, und eines Gesetzeshüters, der auch als Erwachsener noch nicht über den Selbstmord der Mutter hinweggekommen ist, zu dessen unfreiwilligem Zeugen er als Kind gemacht wurde.

Leider war Kim Zupans deutschem Verlag der amerikanische Originaltitel nicht zugkräftig genug. Aus „The Ploughmen“ – „Die Pflüger“, was die Herkunft aus bäuerlichen Verhältnissen und die Verbundenheit mit der Erde unterstreicht, wie sie beide Hauptfiguren charakterisiert und ihnen eine Basis für ihr gegenseitiges Verständnis gibt, – wurde deshalb der nichtssagende und unzutreffende Titel „Die rechte Hand des Teufels“. Dabei genügt doch schon der den Roman beendende Epilog, in welchem der Deputy den letzten Willen des alten Killers vollstreckt und seine Asche dem Boden wiedergibt, aus dem der Mann einst hervorging, um zu verstehen, welch wichtige Rollen in diesem großartigen Buch Erde und Natur spielen.

Titelbild

Kim Zupan: Die rechte Hand des Teufels. Psychothriller.
Aus dem Amerikanischen von Marie-Luise Bezzenberger.
Droemersche Verlagsanstalt, München 2014.
333 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783426515150

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