Ist das Böse übersinnlich?

Carsten Stroud setzt mit „Die Rückkehr“ seine „Niceville“-Reihe fort

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich ist es schade um Carsten Strouds „Niceville“-Reihe, von der nun der zweite Band auf Deutsch erschienen ist. Die Romane haben das Zeug zu einem rasanten und harten Thriller, aber Stroud scheint damit nicht zufrieden zu sein: Das Verbrechen muss anscheinend dringend auch noch mit übersinnlichen Komponenten versehen werden, um der Reihe noch mehr Dreh zu geben. Das was da nun partout mysteriös und übersinnlich sein soll, gerät Stroud ins Verwässerte, wovon am Ende niemand etwas hat.

Aber gibt es das Böse? Eine Frage, die nicht nur im Krimi gestellt wird. Bei Stroud hat es einen Namen und eine Geschichte, womit die Reihe ans Märchen-Genre anschließt: Da gab es einmal einen Südstaatengroßgrundbesitzer Teague mit Nachnamen, der nicht nur seine Frau vergiften ließ, sondern auch noch seine schwarze Geliebte umbrachte. Dass solch ein Mensch als gefühlskalt und rücksichtslos gelten muss, ist keine Frage, aber gerät er damit gleich zur  Personifizierung des Bösen? Und kann man sich diesem Bösen nur dadurch entziehen, dass man durch einen Spiegel in ein anderes Reich eintritt, wie es Stroud am Beispiel der Ermordeten erzählt?  Ein wenig albern ist dies schon.

Und wenn sich dann auch noch dieses Böse durch all die Generationen der Teagues fortsetzt, um immer wieder aufs Neue vom nächsten Glied der Familie übernommen zu werden, dann ist die Unendlichkeit des Bösen oder Bösartigen zweifelsfrei. Es liegt ein Fluch über dieser Familie und damit über dem Ort Niceville, in dem sie seit Generationen lebt. Was sonst?

Den Auftakt zur Geschichte im ersten Band der Reihe macht der kurzzeitig verschwundene Rainey Teague, der – wie im zweiten Band erzählt wird – von etwas, das sich „Nichts“ nennt, befallen wird, das ihn in endlose Zwiegespräche verwickelt und ihn vor allem gegen alle, die es gut mit ihm meinen, aufhetzt. Was auf den nächsten Schritt verweist: Das Böse macht auch noch einsam.

Wohin das führt, zeigt die Geschichte der Mitarbeiterin von Raineys Schule, die sich um die Schulschwänzer kümmert. Sie wird ertrunken in einem mysteriösen See gefunden. Rainey – ein notorischer Schulschwänzer – wird verdächtigt. Das Ganze ist – selbstverständlich – mysteriös. Rainey bleibt aber unbehelligt.

Aber damit nicht genug: Bei der Suche nach der Leiche werden im See versteinerte (Brust-)Körbe gefunden, die die Anthropologin der benachbarten Universität für eine Sensation hält. Das wird sicherlich noch den dritten Band beschäftigen.

Es tritt des Weiteren eine Reihe von Wiedergängern und Toten auf, die – das ist keine Ironie – ein wenig herumstehen und vor diesem Ort oder jenem Nichts warnen. Ihre Wirkung wird als fruchterweckend beschrieben – womit dann mehr und mehr die Niceville-Bewohner mitbekommen,dass etwas fehlläuft in ihrem beschaulichen Örtchen im Nirgendwo.

Der Ermittler Nick Kavanaugh ist einer von ihnen. Seine Frau Kate ist Vormund Raineys geworden, wird aber von ihm – zu Unrecht selbstverständlich – bezichtigt, ihn um sein beträchtliches Vermögen bringen zu wollen. Die Konflikte verschärfen sich also und werden zunehmend mit mysteriösen Elementen ausgestattet, was aber in diesem zweiten Band nicht aufgelöst wird. Das ist Autorenrecht, macht die Lektüre aber nicht erträglicher. Vor allem wenn man bedenkt, dass Strouds Roman auch ein guter Thriller hätte werden können, der an Härte und Unbarmherzigkeit viele andere Romane übertrifft.

Zum Beispiel wird die Geschichte um den Raubüberfall der drei Polizisten, die den Hauptteil des ersten Bandes ausmacht, weitergestrickt. Die drei haben den Chef der Sicherheitsfirma, Byron Deitz, dem eigentlich ein anderer Handlungsstrang gewidmet ist, belastet, indem sie einen Teil der Beute in seinem Wagen versteckt haben (was aber selbst seine eingeschworenen Feinde nicht für plausibel halten). Zugleich beanspruchen ein paar Mafiosi den Raub für sich und setzen einen Killer namens Harvill Endicott darauf an, ihn bei Deitz abzugreifen. Das wird mörderisch und blutrünstig, weil Endicott die Witwe eines lokalen Chefs dazu bewegen kann, sich der Sache anzunehmen und die drei Cops zu überfallen. Es folgt ein klassischer Showdown, der schließlich nicht gut für die Mafiosi ausgeht.

Dass zugleich die Sache der Bankräuber-Cops dem Ende zugeht, ist bereits zu Beginn des Buches festgelegt – und ist auch eine der gelungenen Linien in Strouds „Die Rückkehr“. Mit anderen Worten: Es ist unverständlich, warum Stroud seinen Roman um die mysteriösen Elemente ergänzt. Er hätte auch einfach einen sehr guten Thriller schreiben können mit deutlich weniger Überhang. Auf diesen kann man verzichten.

Titelbild

Carsten Stroud: Die Rückkehr. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Robin Detje.
DuMont Buchverlag, Köln 2013.
608 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783832196479

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