Brückenbau durch Austausch




Im Sammelband „Der moderne Glaube an die Menschenwürde“ widmen sich Vertreter verschiedener Disziplinen dem Theoretiker Hans Joas und dessen nachidealistischem Konzept der „Sakralität der Person“

Von Sebastian MeißnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sebastian Meißner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist eines der bestimmenden Themen dieser Tage: die Wahrung von Menschenrechten und der Menschenwürde. Hans Joas hat sich in seinem im Herbst 2011 erschienenen „Die Sakralität der Person“ explizit mit dem Thema der Menschenrechte und der Menschenwürde beschäftigt. Das Werk fand hohe Aufmerksamkeit und wurde interdisziplinär (kontrovers) diskutiert – sowohl in den Diskursen gesellschaftstheoretisch ambitionierter Philosophie und in normativ interessierter Soziologie als auch in Teilen der Theologie und der christlichen Sozialethik.

Der im Rahmen einer Autorentagung an der Technischen Universität Darmstadt zu diesem Buch und unter Teilnahme des Autors entstandene Band „Der moderne Glaube an die Menschenwürde: Philosophie, Soziologie und Theologie im Gespräch mit Hans Joas (Sozialtheorie)“ des Herausgebers Hermann-Josef Große Kracht vereint insgesamt 13 Autorenbeiträge, die je einer philosophischen, soziologischen und theologischen Perspektive zugeordnet werden. Im Zentrum der Theorie von Hans Joas steht der Gedanke, dass die modernen Menschenrechte und ihre angemessene und überzeugende universelle Geltung die „Sakralität der Person“ voraussetzt. Diese These wird analysiert, relativiert, projiziert und auf ihre Folgen hin untersucht. Interessant ist an der kritisch-konstruktiven Auseinandersetzung vor allem die Feststellung, dass die Grenzen zwischen den verschiedenen Disziplinen fließend sind – und dass sie sich mitunter auf beachtliche Art ergänzen und bereichern.

„Unterstützende Argumente, herausfordernde Einwände und Missverständnisse“ hat Hans Joas selbst in diesem Band entdeckt. In seiner Replik am Ende des Buches stellt er sich in erster Linie der Frage nach seinem Verhältnis zur Soziologie Emile Durkheims. Als eine Mischung aus Nähe und Distanz will Joas dieses Verhältnis verstanden wissen und sieht dies am besten im Aufsatz von Matthias Koenig („Ambivalenzen der Sakralisierung. Zur Durkheim-Rezeption in Hans Joasʼ affirmativer Genealogie der Menschenrechte“) gewährleistet. In anderen Beiträgen entdeckt der Rezipierte dagegen Verzerrungen und Missverständnisse. Von wiederum anderen hat er lernen können, sein eigenes Werk besser kontextualisieren zu können.

Die Stellungnahme Joasʼ zu den einzelnen Autoren und ihren Ansätzen rundet den Band ab, denn durch diese entsteht ein schriftsprachlicher Austausch über Positionen und Sichtweisen. Als Leser hat man so die seltene Gelegenheit, eine wissenschaftliche Debatte samt kleinerer Bedeutungsverschiebungen mitzuverfolgen. Richtig kontrovers ist die Diskussion aus den naheliegenden Gründen hingegen nicht. Eher stärkt sie das Ansehen und die Bedeutung von Hans Joas, der mit seiner Theorie Brücken zwischen den hier vertretenden Disziplinen gebaut hat. Leser profitieren neben der detailreichen Darstellung seiner Theorie vor allem von einer fundierten Einführung und Denkanleitung zu einem der nicht nur dieser Tage bestimmenden Themen der Menschheitsgeschichte.

Titelbild

Hermann-Josef Große Kracht (Hg.): Der moderne Glaube an die Menschenwürde. Philosophie, Soziologie und Theologie im Gespräch mit Hans Joas.
Transcript Verlag, Bielefeld 2014.
266 Seiten, 29,99 EUR.
ISBN-13: 9783837625196

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