Vorbemerkungen zur Juni-Ausgabe 2016: Bob Dylan und Wolfgang Koeppen – ein Kontrast

Zwei halbrunde Geburtstage sind willkommene Anlässe zu den beiden Themenschwerpunkten dieser Ausgabe. Den ersten hat maßgeblich die Mainzer Komparatistik-Redaktion von literaturkritik.de betreut und dabei Bob Dylan in den Mittelpunkt gestellt – als ein Exempel für jene immer wieder umstrittenen Grenzverwischungen zwischen Massen- und Elitekultur, die vor etwa 50 Jahren mit dem programmatischen Begriff der „Postmoderne“ postuliert wurden. Der Begriff und das Programm sind inzwischen zu einem historischen Phänomen geworden, aber die Auseinandersetzungen um Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen zwischen unterschiedlichen kulturellen Niveaus und Gruppierungen dauern an. Auch der jüngste Streit um die Qualität und Freiheit der Satire im „Fall“ Böhmermann, dem ein gesonderter Beitrag in dieser Ausgabe gewidmet ist, zeigt sich davon geprägt.

Der Kontrast zwischen den Protagonisten unserer beiden Themenschwerpunkte könnte kaum größer sein. Der Never Ending Tour Bob Dylans steht die kaum endende Schreibblockade eines der literarischen Moderne verpflichteten Wolfgang Koeppen gegenüber, die nicht nur seinen Freund und engagierten Förderer Marcel Reich-Ranicki zur Verzweiflung trieb. Er war es allerdings auch, der dazu beigetragen hat, dass Koeppens Konflikt zwischen zwei Kulturen, für die er schrieb, zwischen populärem Journalismus und elitebewussten Kunstansprüchen der Literatur, immer wieder virulent wurde. Das war indes nicht der einzige Konflikt, unter dem er litt. Vor 20 Jahren ist Koeppen in München gestorben, vor 110 Jahren wurde er in Greifswald geboren, und vor 40 Jahren erschien das Buch, auf das seine Leser lange gewartet hatten: ein (scheinbar) autobiographisches Fragment mit dem Titel Jugend. Lauter Anlässe, an ihn in dieser Ausgabe von literaturkritik.de zu erinnern!

Eine anregende und zuweilen auch aufregende Lektüre wünscht zusammen mit einem Dank an alle, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben und unsere Zeitschrift unterstützen, im Namen der Redaktionen

Thomas Anz