Jörg Schuster über „Die vergessene Moderne. Deutsche Literatur 1930–1960“
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDie Literaturgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts zeichnet sich durch die rasche Abfolge literarischer Bewegungen wie Symbolismus, Expressionismus, Dadaismus und Neue Sachlichkeit aus. Eine ähnliche, an formalen Innovationen orientierte Periodisierung gibt es für die Zeit ab 1930 nicht, vielmehr folgt die literaturhistorische Beschreibung den politischen Daten 1933 und 1945 und rückt politisch-zeitgeschichtliche Kategorien in den Vordergrund, indem sie zwischen ‚NS-Literatur‘, sogenannter ‚Innerer Emigration‘‚ Exilliteratur und Nachkriegsliteratur unterscheidet.
Diese herkömmlichen Differenzierungen sind zunächst völlig einleuchtend, da die fundamentalen Auswirkungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auf das gesamte literarisch-intellektuelle Feld offensichtlich sind. Allerdings werden durch die traditionelle Kategorisierung Aspekte wie literaturpolitische Institutionen oder Autorenbiographien so sehr in den Vordergrund gerückt, dass sie den Blick auf die literarischen Texte zu verstellen drohen. Welche Kontinuitäten bestehen in der deutschsprachigen Literatur in formaler und poetologischer Hinsicht über den Zeitraum der nationalsozialistischen Diktatur hinaus? Welche strukturellen Analogien bestehen zwischen Texten der NS-Literatur, des deutschsprachigen Magischen Realismus und der Exilliteratur? Inwiefern wird die literarische Moderne unter den erschwerten Bedingungen der Diktatur fortgesetzt und transformiert, und was bedeutet das für die Adaption des modernen Formenarsenals im experimentellen Roman und in der hermetischen Lyrik nach 1945?
Diese Fragen werden im Blick auf Texte unter anderem von Günter Eich, Peter Huchel, Wolfgang Koeppen, Friedo Lampe, Horst Lange und Elisabeth Langgässer zu beantworten versucht.
Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeitern der Zeitschrift, Angehörigen der eigenen Universität oder aus dem Verlag LiteraturWissenschaft.de. Diese Bücher können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.
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