Magazin der Zeit: Walter Benjamins Städtebilder und Fotografien von Anna Blau

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Walter Benjamins Städtebilder sind zwischen 1925 und 1930 entstanden, liegen also noch vor der Niederschrift der "Berliner Kindheit um Neunzehnhundert", die hier mit einer Auswahl den Band beschließt. Den Auftakt machen Benjamins Moskau-Bilder, gefolgt von Weimar, Marseille, San Gimignano, Bergen, Oslo, Svolvaer ("Nordische See") und Berlin. Moskau - Berlin, dies ist die geheime Klammer des Buches, denn "schneller als Moskau lernt man Berlin von Moskau aus sehen".

Benjamins Städtebilder entstanden aus der für ihn typischen Spannung von Nähe und Distanz, wie es sie in dieser Form weder vorher noch nachher gegeben hat. Sie verdanken sich dem analytischen Zugriff sowie der poetischen Begabung des Autors. Die Zusammenstellung der Texte und Fotos spricht ebenfalls von diesem Spannungsfeld. Anna Blau nämlich ist nicht darauf aus, Benjamins Texte zu illustrieren und seine Stimmungsbilder von damals einzufangen. Dies wäre in vielen Fällen auch gar nicht möglich, denn vom Halleschen Tor in Berlin hat der Krieg nur eine Ruine übriggelassen, und heute schmückt eine Gedenktafel für die in Plötzensee Hingerichteten die Reste der Fassade. Das "Magazin der Zeit" ist zugleich ärmer (an alter Bausubstanz) und reicher (an Geschichte und Überlieferung), als es im historischen Wort festgehalten werden kann, und so entscheidet sich Anna Blau für Städtebilder, die - wie zum Beispiel das Ost-Berliner "Tacheles", die berühmteste Kriegsruine und Kulturfabrik der Stadt - eigene Geschichten erzählen und Benjamins Städtebilder mit der Bildsprache der Fotografie ergänzen.

H. S.

Titelbild

Walter Benjamin: Städtebilder. Fotografiert von Anna Blau.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1992.
128 Seiten, 12,70 EUR.
ISBN-10: 351838466X

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