Mensch-Tier-Verwandlung
Eine umfassende literaturwissenschaftliche Betrachtung
Von Jessica Köppler
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseGabriela Brunner Ungricht liefert eine literaturwissenschaftliche Betrachtung des Motivs der Mensch-Tier-Verwandlung. Dieses Thema ist sowohl ethnologisch wie auch volkskundlich interessant, denn das Verwandlungsmotiv kommt in Mythos, Sage und Märchen vor. Mit ihrer Dissertation führt sie gut in die Thematik ein und liefert eine komplexe Betrachtung, die alles Wissenswerte einschließt. Genauer betrachtet werden zum Beispiel der Totemismus, die Naturvölkererzählungen, Ovids "Metamorphosen", der deutsche Volksglaube an Götter, Menschen, Dämonen, den Teufel, Hexen und Zauberer. Ebenfalls wird, nachdem das Verwandlungsmotiv in der Kulturgeschichte der Menschheit erläutert worden ist, zwischen Mythos, Märchen und Sage differenziert, bevor die Autorin auf das literarische Märchen und seinen Höhepunkt in der deutschen Romantik eingeht. Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt der Dissertation auf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das literarische Märchen wird an Beispielen von Christoph Martin Wieland, Clemens Brentano, den Brüdern Grimm, E. T. A. Hoffmann und anderen erläutert. Auch Kafka wird mit "Die Verwandlung" nicht außer acht gelassen, da er damit das Motiv der Mensch-Tier-Verwandlung in der Moderne nachhaltig geprägt hat. Gabriela Brunner Ungricht befasst sich als einen weiteren Schwerpunkt mit den deutschsprachigen Sagensammlungen, bevor sie auf die verschiedensten Arten der Mensch-Tier-Verwandlung sehr ausführlich und in all ihren Facetten eingeht. Darunter fallen die Selbstverwandlung und die Fremdverwandlung als Hauptkategorien. Das Motiv der Mensch-Tier-Verwandlung spielt sowohl in der Kunst- und Kulturwissenschaft als auch in der Gedankenwelt des Menschen eine tragende Rolle. Die Autorin stellt sich die Frage, was die rätselhafte Macht und Faszination dieses Motivs ausmacht. Als Gegenstand verwendet Gabriela Brunner Ungricht alle bekannten Märchensammlungen, Kunstmärchen und -sagen aus diesem Zeitraum. Ihr Ziel ist das Erstellen einer Art phänomenologischen Systems der verschiedensten Mensch-Tier-Verwandlungen. Ein besonderes Interesse liegt auf der unterschiedlichen narrativen Behandlung und Gehaltszuweisung durch die einzelnen Autoren. "Da im Weltbild der Naturvölker keine Grenze zwischen Tier- und Menschenwelt besteht, beide Welten also ineinander übergehen, ist die Tierehe in ihren Märchen etwas Selbstverständliches und Unbedenkliches." Das Wesentliche bei solchen Erzählungen ist, dass der Mensch sich selbst verwandelt und nicht durch einen magischen Akt verwandelt wird. Diese Selbstverwandlung vollzieht sich langsam unter dem ständigen Umgang mit den Tieren. Diese Dissertation von Gabriela Brunner Ungricht ist ein sehr lesenswerter Einstieg in die Thematik der Mensch-Tier-Verwandlung. Man sollte allerdings auch von den zahlreichen Fußnoten Notiz nehmen, die des öfteren sehr detaillierte weiterführende Informationen beinhalten. Allen an diesem Thema Interessierten lege ich diese Dissertation sehr ans Herz, da sie einen umfassenden Einstieg leistet.