Slapstick, literarisch

Der Komiker Steve Martin kann auch schreiben

Von Ulla BiernatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulla Biernat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Untertitel der deutschen Ausgabe ist wirklich "Blanker Unsinn". Denn der amerikanische Komiker Steve Martin hat mit dem Büchlein "Blanker Unsinn" keinen "Roman" vorgelegt, sondern eine Sammlung von 25 kuriosen Sprachspielen, in denen zentrale Institutionen und Diskurse der amerikanischen Gesellschaft mit Schalk und mit Schärfe demontiert werden. Der pingelige, weltfremde Wissenschaftsbetrieb der Westküsten-Poststrukturalisten muss genauso daran glauben wie die egozentrische Traummaschine Hollywood; Heimwerker, Männer in der midlife crisis, hartnäckige Ex-Liebhaber und die Oberschlauen von MENSA - ihre Schwächen und Selbsttäuschungsmanöver werden freundlich und detailliert bloßgelegt.

Die Geschichten, die zuerst in der Zeitschrift "The New Yorker" erschienen sind, entfalten ihren Reiz durch die Aufbereitung dieser Themen mit leichter Hand. Es ist aber Martins unerschöpflicher Sprachwitz und der verquere Gebrauch von Textsorten, der den humoristischen Standards überraschende Seiten abgewinnt. Mit stilsicherem Elan verdreht Martin Sinn und Zweck von Gebrauchsanweisungen, Beipackzetteln, Abhörprotokollen und Ratgeberlisten. So kommt ein Streit unter Paparazzi als sokratischer Dialog mit Bulevaros, Mopedos und Ignoratos daher; ein nüchterner medizinischer Bericht beschäftigt sich mit der Vorschlaghammerphobie; das unter Naturwissenschaftlern beliebte wissenschaftliche Paradoxon wird auf so unerklärliche Phänomene wie "Wittgensteins Banane" und "George Hamiltons Höhensonne" angewendet.

"Schreiben ist die einfachste, müheloseste und vergnüglichste Art, sich auf künstlerische Weise die Zeit zu vertreiben. Im Augenblick sitze ich beispielsweise gerade in meinem Rosengarten und schreibe auf meinem neuen Computer. Zu jeder Rose gehört eine Geschichte, ich habe also immer etwas, worüber ich schreiben kann." Und damit alle gequälten Schriftsteller in einen ähnlichen Blütenrausch verfallen, hat der Star-Komiker von der Standortfrage ("Ich empfehle Schriftstellern, in Kalifornien zu leben, dann können Sie zwischen zwei Blicken in das Herz einer Rose zum blauen Himmel aufschauen.") über Themen- und Figurenwahl bis zur Verlagssuche alle professionellen Tipps im handlichen Ratgeber "Schreiben ist einfach" zusammengefasst: "Verringern Sie ihren IQ um fünfzig und tippen Sie los!" Der Leser kann sich da nur beschwingt anschließen und an den ausgefeilten Miniaturen erfreuen.

Am "vergnüglichsten" wird es am Schluss. In "Ein Wort von den Worten" warnt das Wort "Schlüpfer" den Leser oberlehrerhaft davor, die Worte mit ihren Bedeutungen zu verwechseln: "Wenn Sie etwas lesen, das Sie abstößt - geben Sie nicht dem Wort die Schuld. Scrotum zum Beispiel läuft durch die Gegend, als hätte jemand gerade seinen besten Freund umgebracht, dabei ist er ein ganz normaler Typ, der bloß immer wieder von irgendwelchen Sackgesichtern übel missbraucht wird." So irrwitzig schön ist die humorlose Gehirnakrobatik, die Sprachwissenschaftler seit Ferdinand de Saussures Vorlesungen über den Zeichenbegriff vollziehen, wohl noch nie vorgeführt worden. Sind dann alle heiligen Kühe unserer Millenniumskultur (das Jahr-3000-Problem kommt bestimmt) auf der Wiese des Nonsens zusammengetrieben und zum Tanzen gebracht, kann man dem Schauspieler nur noch darin recht geben: "Am Ende möchte ich noch sagen, dass man die Bedeutung eines starken Schlusssatzes gar nicht hoch genug einschätzen kann." Dieser Satz steht allerdings schon auf Seite 24. Doch Weiterlesen ist einfach.

Titelbild

Steve Martin: Blanker Unsinn. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Detlev Ullrich.
Goldmann Verlag, München 2000.
143 Seiten, 12,30 EUR.
ISBN-10: 3442545048

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