Ada, Braut der Wissenschaft

Dorothy Steins Biographie der ersten Computerprogrammiererin der Welt

Von Stefanie PhilippRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Philipp

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als das amerikanische Verteidigungsministerium beschloss, mit der neuen Programmiersprache "Ada" das Andenken an Byrons Tochter zu ehren, so sicher nicht nur aus der Motivation heraus, dass Ada Augusta Byron eine mythenumwobene Person war.

Die Tochter des "poète maudit", Lord Byron, war ein verhindertes Genie. Verhindert, weil Adas Mutter, die von Byron geschieden lebte, förmlich besessen davon war, ihren gesellschaftlichen Status zu formen und zu wahren. Folglich war es der Tochter fast unmöglich, den Manipulationen ihrer Mutter zu entkommen. Ada Augusta Byron war ständig in die Intrigen und Gerüchte von Lady Byron verstrickt; eine Tatsache, die es schwer macht, das Leben jener geheimnisvollen Frau zu entschlüsseln, die die erste Programmiersprache entwickelt hat.

Dorothy Stein, einer Psychologin mit besonderem Faible für Ideengeschichte und einem profunden Hintergrundwissen in Physik und Computerprogrammierung, hat Adas Lebensfaden entwirrt - anhand der erhalten gebliebenen Familienkorrespondenz und der Aufzeichnungen von Charles Babbage, einem Konstrukteur von Rechenmaschinen. Demnach war Ada noch nicht ganz zwei Jahre alt, als sie zum ersten Mal ins Licht der Öffentlichkeit rückte. Byron malte sich auf seine Weise aus, was er wohl für ein Vater gewesen wäre:

To aid thy mind's development, to watch
Thy dawn of little joys, to sit and see
Almost thy very growth, to see thee catch
Knowledge of objects, wonders yet to thee!
To hold thee lightly on a gentle knee,
And print on thy soft cheek a parent's kiss, -
This, it should seem, was not reserved for me;
Yet this was in my nature...

Die Reaktion der Mutter hingegen, fest entschlossen ihr Kind "uneingeschränkt zu besitzen und zu beherrschen", war eine gänzlich andere: sie enthielt Ada jegliche Information über ihren berühmten Vater vor, fertigte von frühester Kindheit Charakterstudien von Ada an und ließ diese auch von sogenannten Experten analysieren. Zur gleichen Zeit, als Lord Byron das oben genannte Gedicht verfasste, schrieb sie: Adas "stetes Verlangen, das Bewußtsein anderer Menschen zu beherrschen, stellt eines der augenfälligsten Merkmale von Miss Byrons Charakter dar. Sie erlangt unweigerlich Vorherrschaft über einen Großteil derer, mit denen sie in Kontakt gerät. Diejenigen, die sich ihrer Herrschaft nicht beugen, sind in der Regel Menschen, die in der Lage sind, eine sklavische Macht über sie auszuüben."

Im Anhang erklärt Dorothy Stein die Schwierigkeiten, bei der Dokumentation der physischen und psychischen Gebrechen, die Ada Augusta Byron seit frühester Kindheit plagten. "So wurde beispielsweise die Krankheit, an der Ada in ihrer Kindheit litt, geheimnisvoll als 'ein Blutstrom zu Kopf hin' belegt und identifiziert." Mit dreizehneinhalb traten Lähmungserscheinungen bei ihr auf, die die Mutter auf Nachwirkungen der Masern schob und mit absoluter Bettruhe zu heilen suchte. Ein Jahr nach der Erkrankung war es Ada immer noch nicht erlaubt, sich mehr als eine halbe Stunde im Bett aufzusetzen, was dazu führte, dass sie erst vier Jahre später wieder ohne Krücken laufen konnte. Byrons Tochert litt an Schwäche- und Schwindelanfällen. Ihre Mutter bedachte sie mit den aus heutiger Sicht seltsamsten Behandlungsmethoden, da sie als Anhängerin der antiken Lehre von den Körpersäften und der Phrenologie eine geheime Verbindung von Körper und Geist vermutete. "Die Phrenologie bot gleichsam eine bunte Palette progressiver, jedoch keineswegs revolutionärer Ideen, aus denen sich eine derart willensstarke und rechthaberische Person wie Lady Byron jene Gedanken herauspicken konnte, die ihr angenehm erschienen. Die Phrenologie schien vortrefflich geeignet, um ihren Ausführungen und Urteilen über andere Personen den letzten Anschein von Autorität zu verleihen."

Diese besagte Autorität wirkte sich auf alle Bereiche im Leben von Ada aus. Ihre Versuche, sich ihrem Talent und ihrer überragenden Intelligenz zufolge in den Wissenschaften der Astronomie, Physik und Mathematik zu bilden, sind von ihrer Familie ebenso behindert worden wie ihre Versuche, der strengen Hand ihrer Mutter auszubrechen.

Trotz alledem war Ada Augusta Byron ein für ihre Zeit in erheblichem Maße selbstbestimmte und willensstarke Frau, die trotz des verhaltenen Kontaktes zu ihrem Vater nicht nur seinen Hang zur Pferdewette geerbt zu haben scheint.

Aufgrund ihres weitgefassten Verständnisses für Naturwissenschaften und logisch-analytische Zusammenhänge erfasste sie den Sinn und die "Schönheit" der ersten von Babbage entworfenen und im Jahre 1833 zu Demonstrationszwecken gebauten "Differenzmaschine". Ihren Ruf als erste "Programmiererin" verdankt sie allerdings der wesentlich später erschienen Übersetzung (1843) von L. F. Menabreas Aufzeichnungen über Babbages analytische Maschine, erschienen 1842 in der "Bibliothèque Universelle de Genève".

Die Autorin zeichnet im Kapitel "Jenes erste meiner Kinder" nicht nur Adas Privatleben zu dieser Zeit nach, sondern schildert mit eindrucksvoller Fachkenntnis die Schwierigkeiten bei der Übersetzung und beim Verständnis der mathematischen Zusammenhänge. Die wirkliche Leistung Dorothy Steins besteht nun darin, dass sie nicht nur eine Biographie der Ada Augusta Byron als erste Programmiererin bietet, sondern sie unter allen gegebenen Umständen als ein "Kind ihrer Zeit" zeigt, ein verhindertes Talent, das, von den Zwängen der Gesellschaft eingeschränkt, sich seiner Leidenschaft widmet, im Privaten wie auch im Beruflichen.

Adas zu Lebenszeiten öffentlich anerkannte Karriere beschränkte sich auf besagte Veröffentlichung im Jahre 1843. Sie gab die Mathematik und Babbage auf und wandte sich der Musik, anderen Naturwissenschaften und der Hypnose zu. "Im Herbst 1844 hatte Adas Interesse und Glaube [an den Mesmerismus] solch einen Grad erreicht, daß sie ihrer Mutter berichtete, ihre fortschreitenden Studien des Nervensystems hätten sie ;in der Überzeugung bestärkt, daß ich [im Jahre 1841] mesmerisiert wurde & daß meine ganze Krankheit darin ihre Grundlage hat.'"

1860 verstarb Ada qualvoll an einem Gehirntumor. Dank ihrer Kompetenz für die technische Komponente in Adas Leben ist es Dorothy Stein gelungen, dem Leser eine spannende Mischung von Wirkungs- und Hintergrundgeschichte eines verhinderten Genies darzubieten.

Titelbild

Dorothy Stein: Ada. Die Braut der Wissenschaft. Biographie.
Übersetzt aus dem Englischen von Björn Bossmann und Sabine Kreiner.
Kulturverlag Kadmos, Berlin 1999.
365 Seiten, 34,80 EUR.
ISBN-10: 3931659135

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