Mit Goethe durch das Jahr II

Die kürzlich aufgedeckte, heimliche Exhumierung von Goethes sterblichen Überresten und die Mazeration seiner Gebeine durch die DDR-Behörden im Jahr 1970 entbehrt nicht grotesker Züge. Sie sind in einer literarischen Phantasie Heike Rehers vorweggenommen worden, die vor etwa drei Jahren entstand und in einer kleinen Bamberger Zeitschrift mit dem Titel "Kopfzeilen" gedruckt wurde. Nicht nur aufgrund der aktuellen Berichte verdient die Erzählung einen Wiederabdruck. Der Vorgang wirft im übrigen ein bezeichnendes Licht auf die Beschäftigung mit unserem Dichterfürsten. Die Person des Dichters scheint die Forschung mehr zu faszinieren als sein Œuvre: Sie schaut ihm auf die Hosen und betrachtet seine Dosen, könnte man in respektloser Fortführung von Robert Gernhardts Bildergeschichte sagen (vgl. den Beitrag: "Goethe und die Frauen"). Dem Literaturwissenschaftler W. Daniel Wilson ist es eine eigene Studie wert, daß der geheime Rat und Staatsminister aus heutiger Sicht nicht immer nur Vorbildliches zu verantworten hatte; Wilson hat sich bereits mit Goethe und den Illuminaten beschäftigt. Sein neues Buch, "Das Goethe-Tabu", wird von Bernhard Setzwein rezensiert. Von Tabu keine Rede. "Goethe und seine Opfer" von Tilman Jens, bekannt für seine "persönliche Art", wird von Georg Patzer rezensiert. Einen der schönsten Beiträge zum Goethe-Jahr, einen komischen Durchgang durch Werk und Rezeption, hat Zweitausendeins vorgelegt, den herrlichen Reader, der beides ist: Leitfaden durch ein großes Œuvre und Blick auf Goethes Hosen. Sonja Sakolowski schließlich warnt vor dem Goethe-"Who´s who" des Deutschen Taschenbuch Verlags.

literaturkritik.de Redaktion