Licht und Maß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Hugo von Hofmannsthal war kein Griechenland-Schwärmer, als er 1908 - von Italien kommend - über Korfu und Patras nach Athen reiste und unter anderem Delphi besuchte. Nach dem Vorbild von Maurice Berrès war er zugleich "begeistert" und "beherrscht". Auch haderte er mit seiner Tragödientrilogie, deren zweiter Teil "Orest in Delphi" nicht zur Ausführung kam, deren ersten ("Elektra", 1903) und dritten ("Ödipus und die Sphinx", 1905) Teil er als gescheiterte Versuche ansah, sich jener Vision des Griechischen zu bemächtigen, von der Winkelmann und Goethe und nach ihnen die großen Intellektuellen des 19. Jahrhunderts immer wieder fabuliert hatten.

Für Hofmannsthal war Griechenland Licht und Maß, und es scheint so, als habe er selbst von den Zeugnissen des antiken Athen nur widerwillig Kenntnis genommen: Er "sah weder nach der Akropolis noch nach dem Olympieion", berichtet sein Reisebegleiter, der Kulturpolitiker und Kunstsammler Harry Graf Kessler.

Einen Text dieser "Augenblicke in Griechenland", die Prosa-Miniatur "Der Wanderer", rechnet Herausgeber Hansgeorg Schmidt-Bergmann zum Kühnsten, was Hofmannsthal vor den "Andreas-Fragmenten" geschrieben habe.

L. H.

Titelbild

Hugo von Hofmannsthal: Augenblicke in Griechenland. Mit farbigen Abbildungen und einem Nachwort.
Herausgegeben von Hansgeorg Schmidt-Bergmann.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2001.
125 Seiten, 8,60 EUR.
ISBN-10: 3458341080

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