Vladimir Vertlibs neuer Roman "Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur" ist ein Albtraum

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Rosa Masur hat etwas Einzigartiges zu erzählen. Sie, die russische Jüdin, ist erst vor kurzem nach Deutschland gekommen und hat ein langes, bewegtes Leben hinter sich. Viel ist ihr angetan worden, von den Nazis, von den Sowjets, und viel hat sie ertragen müssen. Unglaubliches ist auch dabei: Der leibhaftige Stalin soll bei ihr gewesen sein. In seinen Stiefeln habe er mitten in der Nacht im Flur gestanden. Der Begegnung misst der preisgekrönte und mit Stipendien geförderte Autor Vladimir Vertlib eine zentrale Bedeutung für seine Hauptperson Rosa Masur bei, wie so vielen Szenen in seinem wortreichen Roman. Er bedient sich einer Dramaturgie, die er aus herrlichen Schmökern übernommen hat. Aus den Leichengruben des vergangenen Jahrhunderts greift sich der 1966 in Leningrad geborene Vertlib das Schockierendste heraus. Ausländerfeindlichkeit, Prostitution, Erniedrigung, Morde, Menschenfresser - so aneinandergereiht wie oberflächlich schildert Vertlib Tragödien und trägt immer dicker auf, um sein klägliches schriftstellerisches Versagen zu kaschieren. Seine nach einfachem Schema entworfenen Figuren können sich ihre Schlüsselerlebnisse selber nicht merken. Dieser Roman will auf der Welle der Erinnerungsliteratur nach oben schwimmen, ohne selbst Erinnerung festhalten zu können. Einen schlechteren Leumund für Bücher, die sich in Ehren schwierigen Lebensgeschichten nähern, kann man sich nicht denken.

M. A.

Titelbild

Vladimir Vertlib: Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur. Roman.
Deuticke Verlag, Wien 2001.
430 Seiten, 23,00 EUR.
ISBN-10: 321630583X

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