Nochmal Glück gehabt

Der dritte Roman von Alexa Hennig von Lange

Von Heike SchmittRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heike Schmitt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Alexa Hennig von Lange meldet sich sendebereit zurück. Die Locken sitzen, die Sommersprossen im Solarium aufgefrischt - so lächelt sie sich nicht ohne Charme durch die Talkshows dieser Tage, im Handgepäck ihr neues Buch. "Ich habe einfach Glück" darf als persönliches Statement der 27jährigen Mutter und erfolgreichen Buchautorin gewertet werden. Schließlich ist sie es selbst, die uns leicht bockig, stur mit rosa-glossigem Schnütchen vom Buchcover entgegenblickt.

Und sie hat recht. Sie hat Glück. Ihr neues Buch erscheint zwar rein äußerlich nur wieder als Meisterwerk der Verlags-PR und lenkt den Blick der Kritiker, insbesondere der männlichen, einmal mehr auf die herb-schöne Popliteratur-Lolita, statt auf ihr schriftstellerisches Tun, dennoch ist dem schwärmerischen Verweilen des Blickes das Lesen durchaus einmal vorzuziehen. Mit diesem Roman zeigt unsere Vorzeige-Alexa auch schriftstellerisches Können, jenseits der egozentrischen Schnösel-Eskapaden der Gucci-Autorenriege und popliterarisch verwursteten Drogenexzesse der Wohlstandskinder. Aus der Sicht der 15jährigen Lelle erzählt Alexa Hennig von Lange von Pubertät, Familie und erster Liebe im kleinbürgerlichen Mief einer deutschen Reihenhaussiedlung.

Da ist Lelles Mama, die ihren Kindern "doll heulend" im Treppenhaus gesteht, dass sie mit Ehemann Berni gerne mal wieder kuscheln würde und täglich glaubt, einer Herzattacke nahe zu sein. Lelles 17jährige Schwester Cotsch ist sowieso der Meinung, "Papa ist ein Arschloch", und so einigt frau sich im Sinne der weiblichen Solidarität auf die "Wir hassen Papa"-Attitüde. Papa hasst dafür die beste Freundin seiner Frau, Rita, und flüchtet vor seiner anstrengenden Familie ins Geschäft, eine Gärtnerei. Mama funktioniert als Muttertier, kocht, wäscht, spült, trinkt heimlich Sherry und weint ein bisschen über den lieblosen Bernie, die magersüchtige Lieblingstochter Lelle und die mit Selbstmord drohende, hysterische Cotsch. Nachbarsjunge Arthur gerät kurz vor dem Super-Gau unschuldig in dieses Familienchaos und wird zum barmherzigen Samariter des emotionsgeladenen Frauenclans - stets zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Lelles Herz erobert der langhaarige, dünne Arthur auf dem Motorrad, weil er so "lässig" und geheimnisvoll ist.

Das, was Alexa Hennig von Lange erzählt, ist Familienalltag und der ganz normale tägliche Wahnsinn. Lelle ist allerdings eine brutale und schonungslose Begleiterin durch rund 260 Seiten Streit,Hass und Liebe, und so manche Zeile löst Gänsehautgefühle aus: "Cotsch hat ein Gipsbein. Jetzt kann sie sich nur noch die Hornhaut von der linken Fußsohle reißen, bis es blutet. Blut! In meinem Schrank liegt mein Tonpenis. Mit dem habe ich mich kürzlich selbst entjungfert. Blut!" Alexa Hennig von Lange löst beim Leser eine ambivalente Gefühlslawine aus; das Buch ist witzig und traurig, gemein und nett, manchmal langweilig, meist kurzweilig. Niemals geht es um eine künstliche Außenwelt zwischen Konsumgeilheit und Technobeats - mit diesem Roman gelingt ihr der ganz intime Blick in den Mikrokosmos Familie auf eine intelligente Art. Ein Roman für fingernagelkauende Pickelmonster, entnervte Mütter und frustrierte Väter - in genau dieser Reihenfolge.

Titelbild

Alexa Hennig von Lange: Ich habe einfach Glück. Roman.
Rogner & Bernhard Verlag, Hamburg 2001.
260 Seiten, 12,80 EUR.
ISBN-10: 3807701540

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