Schaurige Balladen zum Zuhören

Otto Sander interpretiert Balladen und Melodramen der deutschen Romantik

Von Sigrid BornRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sigrid Born

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Liebe und Mord, Hass, Gier, Fluch und Leid sind die Themen von Balladen, wie sie wohl jeder kennt oder sogar auswendig gelernt hat. Doch wenn Balladen kunstvoll vorgetragen werden, ist das Vergnügen an der Schauerromantik um ein Vielfaches größer. In dieser Hinsicht hat der Patmos Verlag einen Glückstreffer gelandet.

Otto Sander interpretiert auf einzigartige Weise zwölf Balladen und Melodramen der deutschen Romantik, bei mehreren Stücken auf dem Klavier begleitet von Christoph Israel. Das vielleicht beste Beispiel dafür - aber hier entscheidet allein der persönliche Geschmack - ist Robert Schumanns Melodram "Die Flüchtlinge" (op. 122 Nr. 2): "Fort, fort, fort", ruft Sander, in perfektem Einklang mit dem Klavier, und dem Zuhörer stockt der Atem vor Spannung.

Otto Sanders Stärke sind neben dem effektvollen Vortrag besonders Dialogsituationen wie in Emmanuel Geibels "Die Goldgräber". Kunstvoll moduliert er scheinbar mühelos die Stimmen von Tom, Sam und Will. Bosheit und Hinterhältigkeit lauern in den Tonlagen.

Neben den Melodramen "Das Schloß am Meere" von Richard Strauss (nach Ludwig Uhland) ist "Die Wallfahrt nach Kevlaer" von Edmund Uhl und Heinrich Heine ein genußvoller Höhepunkt. Balladen wie "Des Sängers Fluch" von Ludwig Uhland, "Die traurige Krönung" von Eduard Mörike, "Mitternacht" von Friedrich Hebbel und "John Maynard" von Theodor Fontane werden von Sander und Israel zu neuem Leben erweckt. Wer bisher glaubte, Balladen und Melodramen der Romantik gehörten nicht mehr in das nächste Jahrtausend, wird hier eines Besseren belehrt.

Titelbild

Klagendes Leid - schaurige Lust. Balladen und Melodramen der deutschen Romantik. Interpret: Otto Sander, Klavier: Christoph Israel.
Patmos Verlag, Düsseldorf 1998.
15,30 EUR.
ISBN-10: 3491910021

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