Des Lehrmeisters pädagogischer Wink

Schauerliche Balladen der Klassik und Romantik als Audio-CD

Von Andrea PotzlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andrea Potzler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ambitionierte Deutschlehrer haben es immer versucht: Die Lyrik sei doch die Kammermusik der Sprache, das Edle, das Dichteste, was man mit Sprache machen könne und müsse ergo dem Schüler nahegebracht werden. Da wird so einiges ausprobiert, um ihn doch noch zum Guten, Schönen und Wahren zu führen. Schauspielerische Inszenierungen, das Auswendiglernen in der pädagogisch wertvollen Kleingruppe oder hübsche Wasserfarbenbilder zur bitte klaren Verdeutlichung des Gesprochenen. Doch zu guter Letzt hat man dann wieder nicht den Schüler zu Lyrik, sondern zu allem möglichen Anderen gebracht. Zur Theatergruppe vielleicht oder zum Malkurs, doch das Gedicht bleibt für die meisten farblos.

Schade eigentlich, stellt man doch zumeist in späteren Lebensjahren fest, welch eine Musikalität in so vielem gesteckt hätte, was der fromme Lehrmeister da mit allen Mitteln und Unmitteln überkleistert hat.

Ein wenig erging es mir so auch mit "12 schauerliche Balladen der Klassik und Romantik". Schon der Aufkleber der Verpackung verheißt eine "einzigartige Hörbuch-CD mit neuer, filmmusikalischer Untermalung", was dann nur folgerichtig durch die Aufschrift auf der Rückseite fortgesetzt wird. Der Hörer in spe erfährt hier, dass "fulminante Orchesterkompositionen" "vermeintlich angestaubte" einzigartige Kunstwerke mit "irritierendem Reiz und geradezu filmischer Ästhetik" neu beleben sollen. Bei soviel Lob scheint mir beinahe Wilhelm Buschs Lehrer Lempel mit erhobenem Zeigefinger entgegenzukommen, die Nase rümpfend: "Kind, sieh zu, dass Du diese Balladen hörst!"

Leistet man dem Folge, so hört man einen Erzähler (Frank Suchland), der sich an bekannten Balladen wie den Goetheschen "Erlkönig", Fontanes "John Maynard" oder Chamissos "Die Sonne bringt es an den Tag" versucht. Mit erst einmal sehr ruhiger Stimme (so ruhig, dass man beinahe schmunzeln muss) spricht er den Titel. Daraufhin ertönt meist recht "fulminanter" Klang vereinzelter Instrumente, gesetzt von Oliver Hartmann. Winseln die Streicher oder tönen die Trompeten, so ist ganz klar, was denn nun zu denken und zu empfinden ist. Gegenüber soviel Klang wirkt sie dann oft mickrig, beim "Erlkönig" ist die Verbindung des gesprochen Textes mit der Musik gar komisch. Zu plakativ wird da in nahezu naiver Weise dargestellt, was sich ereignet. Kaum beendet Frank Suchland die erste Strophe, schon rumpelt im Orchester los, was vorher nur als einzelne Xylophon- und Streichertöne zu vernehmen war.

Doch ist gerade der "Erlkönig" so voller Musik, dass eine emphatischere Betonung des reinen Wortes vollkommen gereicht hätte, um mehr Stimmung zu vermitteln, als es hier mit der so bezeichneten Filmmusik möglich ist. Und die Ballade wäre eine Ballade geblieben. Mit Möglichkeiten der Interpretation, die eine Musik, die in starkem Maße die Richtung angibt, nicht mehr bietet.

Warum nicht eine Ballade lesen oder Musik hören?

Titelbild

Schauerliche Balladen der Klassik & Romantik.
ContraPunkt Musikproduktion, Bückeburg 2002.
16,00 EUR.
ISBN-10: 3980728919

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