Schwere Geburt vor 250 Jahren und anderes aus Goethes Leben

Zur Taschenbuchausgabe von "Goethes Gesprächen" in fünf Bänden

Von Thomas AnzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Anz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Buch beginnt mit der Geburt. Sie muß schwer gewesen sein. Vor 250 Jahren hätte Goethe sie beinahe nicht überlebt: "Drei Tage bedachtest Du Dich, eh Du ans Weltlicht kamst, und machtest der Mutter schwere Stunden; aus Zorn, daß Dich die Not aus dem eingeborenen Wohnort trieb, und durch die Mißhandlung der Amme kamst Du ganz schwarz und ohne Lebenszeichen."

Wer schreibt hier an wen? Und wieso steht das in einem Werk, das den Titel "Goethes Gespräche" trägt? Unter diesem Titel hatte der Goetheforscher Woldemar Freiherr von Biedermann in den Jahren 1889 bis 1896 in zehn Bänden eine Sammlung aller damals bekannten Berichte über mündliche Äußerungen des Dichters herausgegeben. Auch die Aufzeichnungen Eckermanns waren dabei. Als der Sohn des Freiherrn 20 Jahre später eine "zweite, durchgesehene und stark vermehrte Auflage" heraus brachte, hatte diese sich erheblich gewandelt. Aus den Gesprächsberichten war eine Sammlung zeitgenössischer Zeugnisse über den Menschen Goethe geworden, die auch zahlreiche Briefe umfaßte. Eine dritte, wiederum erweiterte und stark veränderte Auflage gab von 1965 bis 1987 Wolfgang Herwig heraus. Die Gespräche mit Eckermann wurden allerdings nicht wieder mit aufgenommen.

Dass die umfangreiche Dokumentation vor dem Goethejahr als Taschenbuch nachgedruckt wurde, ist nur zu begrüßen. Auch wenn die gesammelten Zeugnisse oft mehr über ihre Verfasser als über Goethe aussagen, sind sie eine kulturhistorische Quelle ersten Ranges. Noch dazu sind die Dokumente hilfreich kommentiert. Der Kommentarband gibt uns beispielsweise erschöpfende Auskunft über den zitierten Bericht zu Goethes Geburt. Goethe hatte im Oktober 1810 Bettina von Arnim von dem Entschluß berichtet, seine Autobiographie zu schreiben und sie um Hilfe gebeten. Bettina berichtete ihm darauf hin, was sie 1806 aus dem Munde von Goethes Mutter gehört und aufgezeichnet hatte. Goethe wiederum hat den Bericht für "Dichtung und Wahrheit" verwendet.

Das glückliche Ende der schweren Geburt veranlasste Goethes Großvater übrigens zu erheblichen Zuwendungen für Arme. Die Mutter soll das, so berichtet Bettina an Goethe, mit dem Satz kommentiert haben: "Schon in der Wiege war er den Menschen eine Wohltat."

Titelbild

Goethes Gespräche 5 Bände. Biedermannsche Ausgabe.
dtv Verlag, München 1998.
99,99 EUR.
ISBN-10: 3423590394

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