Klopstocks Schlittschuh-Schwung

Eine Audio-CD dokumentiert Lesarten des Klassikers

Von Rolf-Bernhard EssigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf-Bernhard Essig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Friedrich Gottlieb Klopstock, das ist Sprache, tiefklingend und forttreibend rhythmisch, das sind Wörter, so neuerfunden, so fruchtbarzeugend, so einzigsangbar, dass Komponisten wie Dichter Schlange standen, um bei ihm in die Schule zu gehen, das sind Gedankenstrudel auch, mitreißende, gefährliche, nur dem Meister eine Triebkraft. Fasste nicht Arno Holz es in die ehrerbietigfrechen Worte: "Klopstock oller Donnerer, Wirrkopf sonder Gnaden"? Ja, Klopstock donnerte, aber nicht mit dem Theaterblech (die unangenehmen Seiten fehlen leider im Booklet)! Der Widerhall seines Werks scheint leiser geworden, wird aber wohl nur weniger offen gezeigt, weniger deutlich wahrgenommen.

Wenn nun auf einer Audio-CD Johannes Bobrowski oder Günter Kunert ihren Klopstock loben und lesen, dann ist das eine vergnügliche Sache und wirksamere Werbung für einen Dichter als jedes Symposium. Für ein paar Euro hört man Geschichten von der lebensverändernden Kraft seiner Dichtung (Eberhard Hilscher), von Klopstocks Schlittschuh-Schwung (Kerstin Hensel) und über seine spezielle Sprengkraft für die DDR-Lyrik.

Harro Zimmermann trug klug (außer bei den beiden störend schlecht interpretierten Gluck-Liedern) Tondokumente zusammen, die fast immer gleichzeitig die Dichter von heute und Klopstock selbst zu Wort kommen lassen. Karl Mickel, Heinz Czechowski oder Robert Gernhardt sprechen nicht nur darüber, wie der Dichter-Star des achtzehnten Jahrhunderts ihre Dichtung prägte, sie lesen auch die alten Verse. Dabei geht es keineswegs um schauspielerische Leistung, vielmehr um ein Lippenbekenntnis oft rührendster Natur (Inge Buck). Dass Klopstocks Gedicht "Die frühen Gräber" gleich in vier Fassungen zu hören ist, spricht ebenfalls für die CD, beweisen die Variationen doch den Reichtum der Verse.

Unvergleichlich produktiv aber und fern flacher Epigonenlust reißen Volker Braun und Peter Rühmkorf den ersten freien Schriftsteller, den Erfinder der politischen Poesie in Deutschland, den enthusiastischen Emphatiker, den Revolutionär der Sprache und des Denkens an ihre Brust, beleben ihn für unsere Zeit, leiten Klopstock-Energie in ihr Werk.

So ersetzen die fünfzehn Tracks der CD einen ganzen Grundkurs, indem sie hörbar machen, was als bloße Behauptung immer bezweifelbar bleibt: dass Klopstock einer unserer freiesten Sprachgeister ist

Titelbild

Harro Zimmermann (Hg.): Unser Klopstock. Ein lyrisches Stimmenkonzert.
Wallstein Verlag, Göttingen 2003.
75 min, 12,00 EUR.
ISBN-10: 3892447071

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