Aus Wörtern keine Welt

Kate Thompson vergisst das Erzählen in "Nacht auf dem Wolkenberg"

Von Susanne BlümleinRSS-Newsfeed neuer Artikel von Susanne Blümlein

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Rilka lebt in einem kleinen Dorf am Rande eines Berges, auf dessen Trassen die Bewohner das Wenige anbauen, wovon sie leben und das sie den Lastträgern mitgeben, die auf die Märkte ziehen. Das Leben im Dorf wird von festen Regeln geprägt, gegen die Rilka immer wieder aufbegehrt. Denn sie ist anders. Anders als die Dorfbewohner hat sie eine Allergie gegen Tschuffis, hundeähnliche Wesen, die die Fähigkeit haben, Leid und Kummer in sich aufzusaugen, was sie zu begehrten Haustieren macht.

Kate Thompsons Erzählung, für die sie mit dem irischen Kinder- und Jugendbuchpreis "Bisto Award" ausgezeichnet wurde, ist also dem Genre Fantasy zuzuordnen. Und wie in jeder ordentlichen Fantasy-Geschichte muss sich auch die Heldin dieses Buches auf die Quest - die Suche - begeben.

Das Dorf ist in Sorge. Wegen großer Dürre muss Wasser für die Felder mühsam in Eimern vom Brunnen im Dorf hoch auf die Felder getragen werden. Alles mühsame Schaffen muss bei Tage getan werden, denn mit dem Einbruch der Nacht kommt die Angst vor Trickstern, und kein Dorfbewohner verlässt freiwillig sein Haus. Trickster sind durchsichtige, leuchtende, schwebende Wesen. Wer sie sieht, gerät in ihren Bann und wird von ihnen zu Klippen und Abgründen geführt, wo er zu Tode kommt.

Schon bei der letzten monatlichen Dorfversammlung hatte Rilka gelobt, einen einfacheren Weg zu finden, wie Wasser auf die Felder transportiert werden könnte - und damit gegen die Traditionen und Regeln des Dorfes aufbegehrt. Ihr neues Gelöbnis, nachdem sie das Alte nicht erfüllen konnte, lautet einen Trickster zu fangen. Doch das beschert ihr den Ausschluss aus der Dorfgemeinschaft, denn selten ist jemand von solch einem Vorhaben zurückgekehrt, und wenn, dann nicht mehr mit vollem Verstand.

Der Ausschluss wird für Rilka der Anlass, sich auf eine einsame Reise zum Wolkenberg zu begeben, der den Erzählungen nach, die Geburtsstätte der Trickster ist. Dem Leser bleibt nichts anderes übrig als Rilka auf ihrer ebenso langweiligen wie langatmig geschilderten Reise zu folgen, ja geradezu in ihren Fußspuren zu gehen, denn kaum jemals hat es ein Autor geschafft, mit so wenig Welt neben dem Pfad den er verfolgt, auszukommen. So wird die Suche für den Leser nicht zu einem Schweifen durch fremde Lande, denn außer Rilkas Fußspuren gibt es nichts, worauf sich sein Auge richten könnte. Denn auch, wenn Kate Thompson mit einfallsreichen Namen und Seltsamkeiten nicht spart, vermag sie es doch nicht, mit ihren Worten eine Welt zu entwerfen und zum Leben zu bringen. Zu sehr verfängt sich die Erzählung in den monotonen Gedanken der Ich-Erzählerin, die zudem immer auf die eigene Person gerichtet sind. Rilka hat keine Augen für die Welt ringsumher, sie befindet sich ganz ihn ihrem eigenen Universum, das sich zudem nur um ihre eigene Person dreht. Und eine derart egozentrische Figur zu begleiten, deren Perspektive die eigene Leserperspektive fühlbar beschränkt, ist nicht nur ermüdend, sondern weckt sogar Abneigung gegen diese Figur.

Wie Rilka den Wolkenberg erreicht, herausfindet was Trickster sind und es tatsächlich schafft, einen zu fangen, ist nicht mehr spannend, sondern lediglich ein Befolgen der Regeln des Genres. Nicht einmal der Kampf zwischen beiden an dessen Ende sich Rilka aus der verhängnisvollen Bindung an den Trickster löst und nun mit leeren Händen ins Dorf zurückkehren muss, vermag einen Funken Mitleid zu wecken. Um dem Ganzen doch noch ein versöhnliches Ende zu geben, lässt Kate Thompson ihre Heldin am Ende quasi im Vorbeigehen, die Lösung finden, wie die Felder des Dorfes mit weniger Aufwand bewässert werden können. Und das weckt nun doch Emotionen beim Leser. Wofür diese Quest, wenn sie letzten Endes kein Ergebnis zeigt? In dem Fall hätte er sich die Lektüre auch sparen können.

Titelbild

Kate Thompson: Nacht auf dem Wolkenberg. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Klaus Weimann.
dtv Verlag, München 2003.
214 Seiten, 8,00 EUR.
ISBN-10: 3423707534

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