Geld statt Geduld - "Das konsumistische Manifest" von Norbert Bolz schwört auf materielle Werte

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Können Kapitalismus und Konsumismus die westliche Welt vor dem Terror retten? Schaut man auf die Brennpunkte der Welt, ob im Gaza, im Sinai, in Kabul oder in Bagdad, so fällt vor allem eines ins Auge: eine Sozialstruktur mit einem deutlichen Überschuss an jungen Männern, arbeitslos, perspektivlos, misogyn, frustriert, gewaltbereit und überwiegend in der Gruppe auftretend.

Hätten diese Leute die Chance, sich eine Existenz aufzubauen, eine Familie zu gründen, eine Aufgabe für die Gemeinschaft zu übernehmen - würden sie dann nicht dem Terror abschwören und alles daransetzen, das Erreichte zu bewahren und zu schützen? Wären sie dann nicht von der Straße und unerreichbar für die Verlockungen der Terrornetzwerke?

Norbert Bolz, Jahrgang 1953, Kulturwissenschaftler mit Professur an der Universität Essen, glaubt, daß der "Konsumismus" der westlichen Welt eine Antwort auf den islamischen Fundamentalismus und die von ihm propagierten 'Werte' (Antiamerikanismus, Antikapitalismus) ist.

Via Konsum, so Bolz, werden im Westen Leitideen in Form des "Spirituellen Mehrwerts" der Waren verhandelt, Inhalte wie Freiheit, Geborgenheit, Gesundheit, Individualität, Liebe und Sinn. Via Konsum erzählt raumgreifende Ästhetik von einem besseren Leben, das nicht von Langeweile, Perspektivlosigkeit und Redundanz regiert wird, sondern von Abwechslung, Hoffnung, Ereignis. Und erst dann, wenn man schon alles hat, was man braucht, kann man sich auch leisten, so "richtig sozial" zu werden.

Der Ansatz, der ebenso verführerisch wie banal, ebenso einleuchtend wie barbarisch klingt (oder wie ein zynisches Lied der Kulturindustrie), hat in den vergangenen Monaten die Gemüter erhitzt: Ludger Heidbrink verwarf ihn als Häresie, Harry Nutt feierte ihn als "Revision kritischer Glaubenssätze". Als besonders umstritten gilt dabei Bolz' These, dass es gerade die soziale Kälte des Westens sei, die Indifferenz, die den Erfolg der säkularsierten Gesellschaft ausmache. Es spreche nicht nur von Überlegenheit, sondern auch von Überlegtheit, wenn man sich von den "heißen" Gefühlen distanziere, stattdessen die rationalen Kräfte bemühe und statt Geduld und Dienst am Nächsten Geld aufbringe.

H. S.

Titelbild

Norbert Bolz: Das konsumistische Manifest.
Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2003.
156 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-10: 3770537440

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