"Ich erhöhe das Reflexionsniveau ..."

F. W. Bernstein live in Frankfurt

Von Sabine KlomfaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sabine Klomfaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Taramm, tatamm, taramm. Es rüttelt, reimt und rollt, wenn der Bernstein (geboren als Fritz Weigle) die Worte zückt und sticht. Seine Gedichte leben vom Rhythmus und der unvorhergesehenen Wendung im irgendwie immer Bodenständigen, selbst wenn der Teufel auftritt: "Gestatten, Mephistopheles, ich komme in Sachen Seele."

Zusammen mit den Musikern Anne Bärenz und Frank Wolff hat F. W. Bernstein im Februar 2004 eine Lesung mit Musik im Stalburg Theater, Frankfurt, aufgezeichnet, die bei Hörkunst im Antje Kunstmann Verlag erschienen ist. Das Mitglied der berüchtigten "Neuen Frankfurter Schule" verbindet Philosophie mit Zote und Adorno mit "Brüste, Hüfte, Bauch und Schenkel". Der Humor bewegt sich mit der liebenswürdigen Art eines Mannes, der so etwas darf, meist leicht unter der Gürtellinie, also im delikaten Bereich. Der Begriff "Saukram" bekommt beim (mittlerweile pensionierten) Professor für "Karikatur und Bildgeschichte" eine neue, rührende Konnotation. Er spielt den gereiften Mann im Lausbub oder auch andersherum. Ein Beispiel aus dem Œuvre:

"Ein Schwanz, namens Hans, der stand den ganzen Tag, wenn er nicht gerade lag.
Lag er nicht und stand er nicht, dann war es auch der Hansel nicht!
Du lieber Himmel, dann war es halt ein anderer Pimmel."

Der Schöpfer des mittlerweile geflügelten Wortes "Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche", hat die Wahl seiner Musiker gut getroffen. Musik und Wort stehen in einem spannungsreichen Wechselverhältnis und geben sich gegenseitig den Einsatz. Die Musiker vertreten die Breite ihres Faches von Schubert bis Queen, von Ravel bis Elvis Presley.

Die Live-Atmosphäre (mit Beifall und Gelächter des Publikums), die kleinen Kommentare des Dichters und vor allem seine Stimme, manchmal skalierend, manchmal singend, sind das, wovon die Aufnahme lebt. "Bitte folgen Sie mir jetzt in den Balladenladen." Und man folgt nur allzu gern, vielleicht ins Mausland, aber: "Im Mausland, im Mausland, da möchte' ich gern sein / aber als Katz', da komm ich nicht rein."

Bernsteins Themen sind Leben und Tod, Loriots Nudel, Geschichten aus der Tierwelt und vieles andere, von dem man nie gedacht hätte, dass man ein Gedicht darüber schreiben könne, z. B. "Juckreiz im Intimbereich" oder der wunderbare Brief des Fußballspielers an seine Mutter - während des Spiels: "PS. Liebe Mutter, ach wärst du doch hier / ich stehe im Strafraum - allein gegen vier." Dann kommentiert er sich selbst: "Und wieder eine leichte Erhöhung des Niveaus: Zu aller, aller, allerletzt / wird das Kleinkunstklavier besetzt und zwar libidinös - ganz bös'."

Titelbild

F. W. Bernstein: In mir erwacht das Tier. CD.
Verlag Antje Kunstmann, München 2004.
73 min, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3888973600

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch