Dem Geheimnis des Glaubens um keinen Deut näher gekommen

Für den Philosophen Norbert Hoerster existiert Gott nicht

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Das schlußfolgernde Denken kann mit Gewißheit die Existenz Gottes und die Unendlichkeit seiner Vollkommenheiten beweisen", behauptete Papst Gregor XVI. im Jahr 1840. David Hume war da ganz anderer Meinung. "Unsere begrenzte Erfahrung", so glaubte er 1779, "versetzt uns nicht in die Lage, über die Gesamtheit der Dinge irgendeine Hypothese aufzustellen, die als wahrscheinlich gelten kann".

Auch der Rechts- und Sozialphilosoph Norbert Hoerster, der vor einigen Jahren wegen seiner Überlegungen zur "Sterbehilfe im säkularen Staat" ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war, hat sich die Frage gestellt, ob "der Glaube an Gott überhaupt rational oder vernünftig" sei.

Nicht wenige Menschen glauben, wundert sich der Autor, tatsächlich im Rahmen einer religiösen Einstellung an Gott und brauchen diesen Glauben offenbar auch. Rationale Argumente pro und kontra halten viele allgemein für unpassend, da Religion keine Wissenschaft sei - eine Sicht, mit der sich Hoerster nicht anfreunden kann. Aus welchen Gründen erläutert er in seinem kleinen Buch "Die Frage nach Gott", in dem er ausführlich die wichtigsten, auch heute noch relevanten Argumente, die für die Existenz Gottes zu sprechen scheinen, untersucht und dabei auf unterschiedliche Fragestellungen eingeht. Hilft es zur Klärung der Welt, wenn wir für sie einen göttlichen Ursprung annehmen? überlegt der Autor, und fragt weiter: wird Gott dadurch erfahrbar, dass er sich einigen Menschen offenbart? Ist der Gottesglaube die notwendige Grundlage unserer Moral? Müssen wir die Existenz Gottes annehmen, weil wir dadurch unserem Leben einen Sinn geben? Oder gibt es angesichts des Übels in der Welt sogar Argumente gegen die Existenz eines Gottes, der sich angeblich durch Allmacht und Allgüte auszeichnet? Auf die Frage nach Gott findet man, laut Hoerster, auch durch noch so intensives Nachdenken und Argumentieren keine eindeutige und sichere Antwort.

Bei seinen Überlegungen geht der Philosoph von dem Gottesbegriff der drei monotheistischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) aus, da dieser nicht nur die religiöse Tradition unserer eigenen, abendländischen Gesellschaft bestimmt, sondern auch im Zentrum der philosophischen Diskussion der Gottesfrage steht, wie sie seit dem Mittelalter im Abendland geführt wird. Danach ist Gott das einzige, ewige personale und körperlose, höchst vollkommene Wesen, das die Welt erschaffen hat, erhält und lenkt. Für die meisten Menschen ist Gott, räumt der Verfasser dieser kleinen Streitschrift bereitwillig ein, unbegreiflich, unerforschlich oder ganz anders. Über diese Position, meint er, sollte man nicht allzu viel Worte verlieren. Aber auch über den ontologischen Gottesbeweis, den Anselm von Canterbury und René Descartes befürworteten und der bis ins 19. Jahrhundert von metaphysisch inspirierten Philosophen vertreten wurde, lohne es sich kaum noch, zu reden. Seine Mängel seien zu offenkundig.

Wird durch die Existenz Gottes die Welt erklärt? fragt sich Hoerster weiter und will mit Berufung auf Schopenhauer auch dieses kosmologische Argument nicht gelten lassen. Ohne etwas von einem göttlichen Ursprung der Welt zu wissen, könne er als Mensch die Welt doch nur so hinnehmen, wie sie ist. Niemand, den er aus seiner innerweltlichen Erfahrung kenne, sei ja für sie verantwortlich. Auch dem kosmologischen Gottesbeweis gelingt nicht, im Gegensatz zu seinem Anspruch, die Existenz eines göttlichen Wesens im Sinn eines einzigen ewig existenten Ursprungs der Welt zu begründen. Das teleologische Argument hält der Autor ebenfalls für wenig stichhaltig und weiß dabei David Hume auf seiner Seite. Für manche Gläubige hat sich Gott geoffenbart, etwa durch ein Wunder. Aber kann man von einem Ungläubigen erwarten, fragt der skeptische Philosoph, dass er Wunder wie etwa die Auferstehung des göttlichen Erlösers anerkennt? Zumindest könne der Gottesbeweis durch Offenbarung ohne schwierige und aufwendige Einzeluntersuchungen historischer oder psychologischer Natur - als Beweis für die Existenz des monotheistischen Gottes - keine Überzeugungskraft beanspruchen.

Hoerster diskutiert weitere brisante Fragen wie etwa die, ob Gott unverzichtbar für die Moral sei, und weist in diesem Zusammenhang auf die vor der Aufklärung oft inhumanen und intoleranten Auswirkungen des christlichen Glaubens hin.

Gibt der Gottesglauben unserem Leben Sinn? Hilft er bei der Lebensbewältigung? fragt Hoerster und hält im Gegensatz zu Kardinal Lehmann und dem jetzigen Bundespräsidenten Horst Köhler den Gottesglauben nicht für ein notwendiges Fundament unseres Lebens.

Kurzum, für Norbert Hoerster lässt sich in keiner Weise zeigen, dass, rational betrachtet, mit der Annahme der Existenz Gottes für die Bewältigung unserer praktischen Lebensfragen irgend etwas gewonnen sei. Zudem dünkt es ihm rätselhaft, wie die christliche Jenseitserwartung das diesseitige Leben eines Menschen glücklicher gestalten können soll.

Sogar die Frage: Warum lässt Gott das Übel zu? bringt Hoerster zur Sprache und kommt dabei zu dem Schluss, dass gerade mit Blick auf die Grausamkeiten in der Natur und die Verbrechen der Menschen das Theodizee-Problem nicht lösbar sei.

Mithin kommen wir, so der Autor, an der Feststellung nicht vorbei, dass auf dem gegenwärtigen Stand unseres Wissens die Existenz eines ebenso allmächtigen wie allgütigen göttlichen Wesens angesichts der vielfältigen Übel der Welt als äußerst unwahrscheinlich gelten müsse.

Norbert Hoerster schließt mit der Feststellung in Abwandlung einer Kantischen Aussage: "Eine Religion, die der Vernunft einfach den Rücken kehrt, wird auf die Dauer auch von ihr verschont bleiben."

Ob die kompromisslose Haltung des Philosophen, der den Menschen von allen metaphysischen Sinnzumutungen emanzipieren möchte, viele zu überzeugen vermag, bleibt abzuwarten. Dem Geheimnis des Glaubens, das, laut Statistik, immer noch zwei Drittel der Menschen bewegt und erfüllt, ist Norbert Hoerster trotz (oder wegen seiner) scharfen Logik allerdings um keinen Deut näher gekommen.

Titelbild

Norbert Hoerster: Die Frage nach Gott.
Verlag C.H.Beck, München 2005.
125 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3406528058

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